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Tag der Arbeitslosen„Dem Paradies näher kommen“

Zum zehnten Mal rufen Lesebühnen-Autoren den Internationalen Tag der Arbeitslosen aus. Sie demonstrieren heute für ein Leben ohne Arbeitszwang.

Nicht arbeiten ist auch nicht schlecht Bild: dpa
Antje Lang-Lendorff
Interview von Antje Lang-Lendorff

taz: Herr Hennig, Sie veranstalten mit anderen Lesebühnen-Kollegen am Freitag eine Demo zum Internationalen Tag der Arbeitslosen. Haben Sie sonst nichts zu tun?

Falko Hennig: Doch, wir sind alle sehr beschäftigt. Die meisten von uns sind Freiberufler. Wir finden aber, dass Arbeitslose, Freiberufler und sonstige Arbeitende sehr viele gemeinsame Interessen haben.

Nämlich?

Was uns eint, ist der Wunsch nach mehr Einkommen. Ich zum Beispiel bin Freiberufler, bekomme unterstützende Hartz-IV-Leistungen, bin also irgendwie nicht arbeitslos. Das, was ich an Unterstützung erhalte, ist zusammen mit meinen Einnahmen aber viel zu wenig. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, mit dem man nicht mehr derartig an der Grenze des Existenzminimums laborieren müsste, wäre durchaus in meinem Interesse. Unsere Demo ist heiter. Aber wir haben ein ernstgemeintes Anliegen, das in unterhaltsamer, satirischer Weise präsentiert wird.

Der Aktionstag wurde vor zehn Jahren von einer Gruppe um die Lesebühne der Surfpoeten ins Leben gerufen, um die Abschaffung des Arbeitszwangs zu fordern.

Genau. Wir sind gegen den Zwang zur Lohnarbeit. Wir finden es ausdrücklich legitim, wenn Leute arbeiten. Aber wir sind gegen den Zwang, dem alle ausgesetzt sind. Und wir finden, es ist an der Zeit, den zu mildern oder abzuschaffen.

Sie haben ein ziemlich negatives Verständnis von Arbeit. Mir macht es zum Beispiel gerade Spaß, Sie zu interviewen.

Der Protest

Die Demo „Wir haben Zeit! Heraus zum 2. Mai“ startet um 13 Uhr am Senefelder Platz in Prenzlauer Berg

Insofern ist auch die Angst unberechtigt, dass mit einem Grundeinkommen die Leute nicht mehr arbeiten würden. Arbeit ist mehr als Mühsal und Not. Aber das ist sie auch. Die vielen, die durch Arbeit krank werden, kann man nicht ignorieren. Wir wollen, dass viel mehr Spaß in die Arbeit zurückkehrt.

Im Interview: Falko Hennig

44, ist freischaffender Autor (auch für die taz), Journalist, Spaziergänger und Aufstocker.

Wenn alle nur noch lustige Jobs machen, wer putzt dann nachts die Bürogebäude oder schlachtet Schweine?

Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen müssten unangenehme Arbeiten besser honoriert werden. Heute ist es so, dass Menschen aus blanker Not zu erschreckend schlechter Bezahlung diese Jobs machen.

Wie hoch sollte das Grundeinkommen Ihrer Meinung denn sein?

Uns schwebt ein auskömmliches Grundeinkommen vor. Es war die Rede von 2.500 Euro.

Wow!

Wenn ich meine konkrete Lebenswirklichkeit anschaue, wäre so etwas wie 1.000 Euro auch denkbar. Wir finden jedenfalls, dass das Grundeinkommen höher sein muss als der Hartz-IV-Satz. Der reicht nicht aus.

Und wie sollte ein Grundeinkommen zwischen 1.000 und 2.500 Euro finanziert werden?

Es gibt sehr verschiedene Rechenmodelle. Man müsste das Steuersystem und die Arbeitsämter umbauen und vereinfachen, dann wäre die Finanzierung unproblematisch. Ich denke, solange die deutsche Regierung und die EU Garantien zu unabsehbaren Beträgen abgeben können für die Spekulationen der Großbanken, solange ist auch die Finanzierung eines Grundeinkommens möglich.

Sie haben vor 10 Jahren angefangen mit dem Aktionstag. Fand seitdem wirklich an jedem 2. Mai eine Demo statt?

Ja. Ich habe mich gerade mit Mitveranstalter Ahne darüber unterhalten. Der sagte, die Demos bei Regen waren besonders schön. Aber bei Sonne ist die Stimmung natürlich besser.

Als Sie anfingen, lag die Arbeitslosenquote bei über 10 Prozent. Heute sind wir bei 7 Prozent. Ist so ein Aktionstag überhaupt noch nötig?

Ich würde meine Seele darauf verwetten, dass wir Vollbeschäftigung nicht mehr erreichen. Ich finde sie auch nicht besonders prickelnd als Ziel. Weil sie verbunden ist mit einem starken Wirtschaftswachstum, mit verheerenden Auswirkungen auf die Psyche und auf die Umwelt.

Was heißt das für den Aktionstag?

Dass er nach wie vor seine Berechtigung hat. Wir tun das unsere, um einem uralten Traum der Menschheit näher zu kommen: dem vom Paradies, von einem Leben ohne Zwang zur Arbeit. Einem Leben, in dem man freiwillig und aus Freude arbeitet.

Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie zum Demo-Jubiläum?

Wir hoffen, unsere besten Zahlen noch deutlich zu übertreffen. Wir haben mit 30 angefangen. Im vergangenen Jahr waren es 300 Teilnehmer. Natürlich wäre es sehr erfreulich, wenn es über 1.000 würden. Keiner, der jemals daran teilgenommen hat, hat es bereut.

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6 Kommentare

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  • DA WOLLEN WIR MAL EIN BISCHEN ARGUEMTE VERSTÄRKEN.

    ALLEIN AUS SPIELTHEORTISCHEN GRÜNDEN, ERPRESSBAR IST, WER KEINE ALTENATIVE HAT, DER TIEFSTE GRUND FÜR DIE AUFREVCHTERHALTUNG DE ANTI-PRODUKTIVEN KONKUURRENZ IN DER PRODUKTION - ALS KÄUFER, kurz, ein schlechrws arbeitslosengeld IST LOHNDUMPIING, existenzdumping und ermöglicht lohndumpung, existenzdumping höherer ordnung - DIE PURE VERSKLAVUNG FAST ALLER.

     

    DIE ARBEIT WIRD ZUNEHMEND DURCH MASCHINERN ERSTZT UND DURCH DIESE "NORMIERT", WAS DURCH DAS DUMPING DES 0SCHLECHTEN ARBEITSLOSENGELDES UND FEHLEN VON GRUNDEINKOMMEN verlsangsamt WIRD UND DIE REPRESSIVE NORMUNGNG VERSTÄRKT.

    eine pistole auf der brust als sklavenpeitsche, für alle, selbst für hausfrauen, die 2mitgerechnet2 wrrden müsste breiden koolektivenm sozialksicheruingenn - sonst ist es ein form des "privatluxus" ..

     

    das geld geht nicht hauptsächlich an die banken sonden die kontoinhaber, als an die reicheninsgesamt, die von profit und seinmre nderivaten (zins, "miete" und vieles "neues")

     

    für die arbeitsalosen, hausfrauen, einkommensabhängugen ist auch die gewerkschaft zuständig, so dass ein "block" auf der 1.mai

    kundgebung das angemessenmste wäre. mit dem massenintellktuelenblocks des prekariats.

     

    die erfolge des existentdumpings hier werden in den ärmeren ländern verstärkt zu noch mehr existenzdumping!!

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Aber wir haben ein ernstgemeintes Anliegen, das in unterhaltsamer, satirischer Weise präsentiert wird."

     

    Und damit ist zu eurer "Bewegung" grundsätzlich alles gesagt / ausge- und unterdrückt, nämlich durch DIE SEUCHE der systemrationalen Kommunikationskultur: SATIRE, engANLIEGEND konsum- und profitAUTISTISCH verpackt!

     

    Seit der "Vertreibung aus dem Paradies", herrscht geistiger Stillstand, zeitgeistlich-kreislaufend, im nun "freiheitlichen" Wettbewerb um "Wer soll das bezahlen" und "Arbeit macht frei", GESCHMIERT durch Bildung zu Suppenkaspermentalität, so daß alles immer nur ein blöd-, stumpf-, wahn- und / oder schwachsinniger Witz in "demokratischen" Kreuzchen auf dem Blankoscheck ist, für die leichtfertige KORRUMPIERBARKEIT der Symptomatiken der imperialistisch-kapitalistischen Hierarchie von und zu materialistischer "Absicherung" (BGE)!!!

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @688 (Profil gelöscht):

      Vor dem "Paradies" / dem FREIEN WILLEN unserer Vernunftbegabung, steht die konsequent-kompromisslose Überwindung der systematischen Konfusion in Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll ;-)

  • Na ja, EUR 2500,- Grundeinkommen klingt ja toll, wäre bei Einführung aber dann bald das neue HartzIV. Das würde ja letztlich bedeuten, dass selbst einfache Tätigkeiten mit deutlich > EUR 2.500,- entlohnt werden müssten. Was dann die Brötchen beim Bäcker nebenan kosten würden, kann man sich ja wohl denken. Am Ende stehen wir dann genauso da wir vorher, nur mit dem Unterschied, dass unsere Wirtschaft aufgrund der immensen Lohnkosten nicht mehr wettbewerbsfähigkeit sein wird. Am Ende geht es uns also bescheidener als vorher. Aber immerhin, wir können dann morgens im Bett liegen bleiben.

    • @MRO:

      Ein Grundeinkommen würde die Lohnkosten senken, da es Teil des Lohnes wäre: bisheriger Lohn weniger Grundeinkommensatz = Nominallohn. Brötchen bleiben also bezahlbar und es lohnt sich weiterhin das Bett zu verlassen!

      • @TinaTempledance:

        Und woher nimmt der Staat das Geld?

        Und trotz Ihrer Rechnung müssten selbst einfache Arbeiten mit deutlich > EUR 2.500,- entlohnt werden (sonst würde sie nun wirklich keiner mehr machen). D.h. die Kaufkraft steigt massiv, die Verbraucherpreise und Dienstleistungen würden ebenfalls entsprechend anziehen.

        Und selbst wenn die Preise stabil bleiben würden, woher nimmt der Arbeitnehmer noch den Anreiz arbeiten zu gehen? Ich gehöre zwar zu den Besserverdienenden, aber EUR 7.500,00 für eine dreiköpfige Familie für lau, da müsste ich nicht lange drüber nachdenken, was ich mache. Selbst bei "nur" EUR 1.000,00 BGE pro würde ich darüber nachdenken. Der Mensch braucht einen finanziellen Anreiz, sonst funktioniert das nicht.