piwik no script img

Täglicher Verbrauch auf RekordhochUngebrochener Öldurst

Der weltweite Verbrauch hat die Marke von 100 Millionen Barrel täglich überschritten. Die Zahl der neuen Ölfunde nimmt drastisch ab.

Öltanker im chinesischen Hafen Zhoshan. Auch die Importe nach China nehmen ständig zu Foto: picture alliance/Yao Feng

Berlin taz | Der globale Ölverbrauch hat die historische Marke von 100.000.000 Barrel Öl erreicht. 100 Millionen Fass mit 159 Litern Öl – an jedem Tag.

In ihrem letzten „Oil market report“ hat die Internationale Energie-Agentur (IEA) die magisch anmutende Zahl bestätigt. Im vierten Quartal 2018 wird die Ölnachfrage von der in Paris sitzenden Agentur auf „100,1 Mio. barrel per day“ beziffert. Im täglichen Nachrichtengewitter ist die Zahl bisher untergegangen. So hat die Menschheit vollkommen geräuschlos genullt und damit eine Marke erreicht, die gleichermaßen eindrucksvoll wie beängstigend ist. Wie kann diese gigantische und weiter steigende Ölnachfrage auf Dauer befriedigt werden?

Die IEA hat angesichts des weiter steigenden Verbrauchs die Endlichkeit des Öls unmissverständlich thematisiert. In einem zum Jahresende veröffentlichten fünfseitigen Kommentar zur künftigen Ölversorgung werden in ungewohnter Schärfe künftige Versorgungslücken beschworen. Schon die Überschrift ist ziemlich drastisch: „Wenn wir auf die Zahlen blicken – steht uns ein Ölversorgungsschock bevor?“

Die beiden Autoren, Tim Gould und Christophe McGlade, sind in der IEA für Zukunfts­szenarien der Ölversorgung verantwortlich. Sie sagen einen weiteren Anstieg des Ölverbrauchs von täglich 7,5 Millionen Barrel bis 2025 voraus. Doch im selben Zeitraum – so ihre Befürchtung – könnte die Versorgung dramatisch einbrechen, wenn nicht in neue Felder und in die Ausbeutung existierender Felder massiv investiert werde. Bei einer Fortschreibung des gegenwärtig niedrigen Investitionsniveaus werde sich eine Versorgungslücke von 35 Millionen Barrel auftun.

Neufunde an Ölfeldern auf historischem Tief

Was die Autoren nicht sagen: Der dringend notwendige, zusätzliche Investi­tions­schub erscheint illusorisch, zumal in den vergangenen Jahren die Neufunde an Ölfeldern ein historisches Tief erreicht haben. 2018 wurde so wenig neues Öl entdeckt wie nie zuvor seit 1947. Schon seit den 1960er Jahren nimmt die Rate der Ölfunde ab. Seit den 1980er Jahren sind die Neufunde deutlich geringer als der steigende Ölverbrauch. Der wird immer noch zu großen Teilen aus der Ausbeutung alter Felder gespeist, die teilweise vor mehr als 50 Jahren entdeckt worden sind (siehe Grafik).

Grafik: Infotext Berlin

Selbst bei einer künftig optimalen Entwicklung des Sektors mit kräftigen Zuwächsen beim Abbau von Ölsanden, selbst bei einer Inbetriebnahme zahlreicher neuer Ölfelder und zusätzlicher Fracking-Projekte außerhalb der USA bliebe, so rechnen die Autoren vor, immer noch eine Versorgungslücke von 11 Millionen Barrel täglich.

Einziger Hoffnungsträger für die IEA-Experten ist das ­Fracking der USA. Mit einem steilen Anstieg der US-Produktion könnte die Versorgungslücke theoretisch geschlossen werden. Dazu müsste sich die gegenwärtige Förderung aus dem Schiefergestein in Texas, New Mexico, North Dakota und Pennsylvania aber mehr als verdoppeln.

Die Autoren beziffern die aktuelle US-Förderung durch Fracking auf 9,5 Millionen Barrel täglich. Sie müsste bis 2025 auf 20 Millionen ansteigen. Dies würde bedeuten, so der IEA-Kommentar, dass die US-Förderung noch um die Menge der derzeitigen Ölförderung ganz Russlands steigt, sich also faktisch mehr als verdoppelt.

Dazu sei „ein Ausmaß an In­vestitionen und eine Zahl an Bohrungen nötig, die alle bisherigen Höchststände weit übertreffen müsste“, heißt es in dem IEA-Papier weiter. Die beiden Wissenschaftler lassen keinen Zweifel daran, dass dieses Szenario ziemlich fantastisch erscheint.

Die Autoren beziffern die aktuelle US-Förderung durch Fracking auf 9,5 Millionen Barrel täglich

Es sei auffällig, dass dieser Kommentar nach der üblichen Jahrespräsentation des Welt-Energie-Outlooks der IEA im November noch nachgeschoben wurde, sagt der Münchner Energie-Wissenschaftler Jörg Schindler, Autor zahlreicher Fachbücher zum Öl. „Das zeigt die Dringlichkeit der Botschaft.“ Schindler erinnert gleichzeitig an den Schuldenberg von 300 Milliarden Dollar, den die US-amerikanischen Fracking-Firmen angehäuft hätten. Deshalb sei in den USA eine neue gewaltige Investitionswelle, um künftige Versorgungslücken zu schließen, illusorisch.

Der IEA-Kommentar, so Schindler, „sagt in aller Klarheit, dass Peak-Oil vor der Tür steht; wir müssen künftig mit sehr viel weniger Öl auskommen, und wir sind nicht darauf vorbereitet.“Tatsächlich ist Erdöl nach zwei Jahrzehnten Energiewende auch in Deutschland immer noch der wichtigste Energieträger. Der Verkehr ist fast vollständig vom fossilen Öl abhängig – auf den Straßen, zu Wasser und in der Luft.

Auch Förderung des Nordsee-Öls geht zurück

Die in den 1990er Jahren von Geologen mit wachsender Sorge geäußerten Warnungen vor einem bevorstehenden Maximum der globalen Ölförderung und anschließendem Rückgang war durch den unvorhergesehenen Fracking-Boom der USA ab 2005 kaschiert und konterkariert worden.

Öl ist nicht gleich Öl

Die Zahl 100 Millionen Barrel täglich ist streng genommen nicht ganz korrekt. Denn in der Menge befinden sich auch Flüssigkeiten, die eher Pseudo-Öl sind. So werden unter die Zahl auch Biodiesel und Ethanol subsumiert oder die bei der Erdgasförderung gewonnenen flüssigen Kondensate namens Natural Gas Liquids, deren Energiegehalt nur 70 Prozent des richtigen Rohöls ausmacht. Auch die als Nebenprodukt bei der Verarbeitung von Öl anfallenden Zugewinne aus Raffinerieprozessen werden mitgerechnet. Damit wird ein zusätzliches Energieangebot suggeriert, weil zur Herstellung dieses Nebenprodukts mehr Energie verbraucht als gewonnen wird.

Die großen Fracking-Erfolge hatten verdeckt, dass die konventionelle Ölförderung aus einfacher zugänglichen Feldern schon Mitte des vergangenen Jahrzehnts weltweit den Höhepunkt erreicht und in diesem Jahrzehnt tatsächlich überschritten hat. Ein gutes Beispiel dafür ist das Nordsee-Öl, dessen Förderung seit der Jahrhundertwende trotz höchster Anstrengungen zurückgeht.

„Es wird offensichtlich, dass die Fracking-Produktion der USA den weltweiten Rückgang der konventionellen Ölförderung auf Dauer nicht ausgleichen kann“, sagt der Fracking-Wissenschaftler Werner Zittel. „Das mit Fracking gewonnene Öl aus dichtem Gestein war der verzweifelte Versuch der Branche, den Niedergang des Öl­zeitalters um jeden Preis noch ein paar Jahre hinauszuschieben, nachdem in fast allen Regionen mit konventioneller Ölförderung die Förderraten zurückgehen“, so Zittel zur taz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Bisher haben sich Versuche, Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch abzukoppeln, nicht als fruchtbar erwiesen. Es ist möglich, sinkende Versorgung mit Sparmassnahmen und Erneuerbaren zu kompensieren, aber nur in Teilen, da Sparmaßnahmen, wie Dämmung und komplexere Maschinen und auch Erneuerbare selbst energetische Investitionen sind. Damit ist ihr Sparpotential begrenzt. Windkraft hat nur an herausragenden Standorten einen guten Erntefaktor, schickt man den Strom durch Leitungen und in Akkus, viertelt sich die Leistung (nach manchen Studien geht sie noch viel weiter herunter). Damit gibt es keinen Ersatz für Kohle, Öl und Gas. Die verfügbare Energie wird jährlich abnehmen, bis die Förderung unrentabel ist und eingestellt wird. Steckt man in die Förderung mehr Energie als herausgeholt wird, eignet sich die Sache nicht als billiger Energieträger. Abgesehen von der Verteilungsgerechtigkeit muss man sich überlegen, ob eine Wirtschaft, die dauerhaft weniger produziert, um in naher oder ferner Zukunft die Energieförderung einzustellen, noch als Kapitalismus geführt werden kann. Eine abnehmende Energieversorgung heißt, wir haben morgen weniger als heute, das betrifft unsere technische Kultur und unsere Versogung mit Nahrungsmitteln, Wohnen, Kleidung, Hygiene, aber auch Bildung, die wir uns nur leisten können, da wir nicht auf dem Feld stehen. Grundsätzlich haben Menschen jahrtausende gut mit dem gelebt, was sie von der Natur erwirtschafteten - allerdings mit einem gänzlich anderen Lebensstandard und einer geringeren Bevölkerungsdichte. Wenn wir dort wieder hinmüssen, eventuell sehr schnell, weil es zu ökonomischen Crashs kommt, brauchen wir eine intakte Infrastruktur von sauberem Wasser, Kleingärten, tragende Obstbäumen, Kleintiere, Holz, Wasserstraßen, Sicherheit, genauso wie Knowhow. Wir sollten anfangen, diese zu schaffen!

  • Das Zeichen,das seinerzeit von den Amerikanern mit dem Einsatz der Fracking-Technologie gesetzt wurde hielt ich für absolut verheerend.



    Das Signal,dass es plötzlich mehr Öl gebe als jemals gedacht und der Ölpreis signifikant sank war ein Desaster füe Umwelt-und Klimaschutz.



    Man war scho auf einem besseren Weg gewesen,aber mit Trump als Präsident und Umweltschutzverächter in Personalunion wurde die Uhr zurückgedreht und die längst gebannten Dämonen in aller Welt,die ihre zerstörerische Kraft aus der Gier nach Öl beziehen wurden wieder geweckt.Die mächtigen Lobbys,die hinter dem Öl stehen fuhren große Kampagnen gegen Umwelt und Naturschutz und päppelten eine rechte Bewegung weltweit,die die Errungenschaften für den Umweltschutz,die der Industrie mühsam in den letzen 40 Jahrenabgetrotzt wurden und versuchten sie in den Dreck zu treten.Anfangs waren diese teuflischen Bemühungen sogar von Erfolg gekrönt,denn viel Menschen glaubten die nächsten 100 Jahre könne alles so weitergehen,wie sie es aus Kindertagen gewohnt waren.Dass dem nicht so ist,zeigt sich allenthalben,aber immer noch haben die Zerstörer das Steuer sicher in der Hand.Es wird wieder einige Zeit und Umweltkatastrophen bedürfen,bis eine ausreichendgroße Masse an Menschen den Irrweg erkennt und wieder umkehrt.Man kann nur hoffen,dass die Zeit,die uns verloren ging durch diesen Zwischensieg der Unvernunftt, noch einholbar ist.

  • "Sie sagen einen weiteren Anstieg des Ölverbrauchs von täglich 7,5 Millionen Barrel bis 2025 voraus." kann das sein? - das wären nach einem Monat über 200 Millionen Barrel.?!

    • Manfred Kriener , Autor des Artikels,
      @durchgehend:

      Der Ölverbrauch von 7,5 Mio Barrel zusätzlich bezieht sich auf den Zeitraum bis 2025. Das heißt: Er wird von aktuell 100 Mio. Barrel auf dann 107,5 Mio. Barrel ansteigen. Falls ich das missverständklich formuliert habe, bitte ich um Nachsicht.

  • Also, wie war das schon wieder. Gibt es zu viel davon oder zu wenig? Irgendwie beides kann nicht sein, oder etwa doch? Bin mir jetzt grad mal nicht mehr so sicher, aber, glaub's da war mal was mit dem Klima.

  • Ein sehr interessanter Text Herr Kriener ! Das der wirkliche Verbrauch an Öl so sehr gigantisch ist, sprengt fast meine Vorstellungskraft!



    Das Ende des Öls ist ja schon seit Jahren im Fokus! ..und es wird ja heftig experimentiert mit Verbrauchsarmen Motoren, mit Gas, mit Elektrik , mit sonstigen Alternativen zum Öl..



    Das "Ende des Öls" bedeutet auch ein Ende der brutalen Ölökonomie ! Ein Ende all der Kriege und Diktaturen und Umweltschäden , die durch die "Gier nach Öl" entstanden ! Das Umdenken in Technologie und Forschung des `weg vom Öl´, hin zu gesünderen Alternativen , hat ja längst begonnen!

  • Schade, dass Aspo seit 2016 nicht mehr viel macht. Irgendwie scheinen die Truppenteile eingeschlafen zu sein. Gerade jetzt, wo es interessant ist. Wer Lust hat, kann auch noch nach dem ETP Modell suchen. Die Menschheit kann sich nur noch immer niedrigere Ölpreise "leisten", damit wird die Förderung unwirtschaftlich. Das Ganze kann nur mit Schulden aufrecht erhalten werden -> Teufelskreis.

  • "Es sei auffällig, dass dieser Kommentar nach der üblichen Jahrespräsentation des Welt-Energie-Outlooks der IEA im November noch nachgeschoben wurde,"

    Einfach mal die PK zur Vorstellung des WEO 2018 der IEA anschauen, da wurde das Problem bereits ausführlich besprochen. Ist im Netz zu finden z.B. youtube

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    Diesen Alarmismus kann man nicht mehr wirklich ernst nehmen. "Peak-Oil steht vor der Tür"? Da steht er schon seit 40 Jahren, und da wird er wohl noch eine Weile bleiben. Siehe dazu



    de.m.wikipedia.org/wiki/Ölkonstante:



    "Als ... Ölkonstante wird die Feststellung bezeichnet, dass sich die statische Reichweite (= Reichweite bei Zugrundelegung des aktuellen Verbrauchs) von Erdöl in den letzten Jahrzehnten kaum verändert hat."



    Und weiter: "1919 lag die statische Reichweite noch bei 9 Jahren in den USA und 1948 global bei 20 Jahren, was danach auf Werte um 35 Jahre anstieg und seither weitgehend konstant blieb. 1975 ergab sich ein Wert von 35 und 2003 einer von 40 Jahren."

    Die in der

  • Boah ey! Das kommt aber überraschend! Wer hätte das gedacht, dass die Ressourcen auf einem begrenzten Planten tatsächlich begrenzt sind!



    Schönen Gruß an die Peak oil Leugner seit "Grenzen des Wachstums" (1972) oder "Global 2000" (1980)!



    Und nun kumuliert dieses Problem noch mit dem Klimawandel, der globalen Verschuldung von über 220% per anno des globalen BSP, den Knappheiten u.a. bei Tantal, Kobalt, Seltenen Erden, Lithium, Sand..., steigenden Wohlstandsansprüchen (vornehmlich in den satten Industrienationen) einer wachsenden Weltbevölkerung, dem Insektensterben, der Meeresvermüllung... und der wachsenden Zahl der Ignoranten dieser Probleme.

    Nun wird auch verständlich, weshalb nach den Kriegen ums Öl im Nahen Osten aktuell in Venezuela wieder ein Krisenherd wg. "sozialistischer Diktatur" wächst.

    Alles nicht neu, alles wie gehabt und die E-Mobile, die Flugtaxis und die Drohne Maja wird uns retten! Hauptsache der "Menschenverstand" bleibt so wie er ist! Dem Wachstum zuliebe, noch mal schnell mit 200 km/h über die Autobahn brettern!

    Wie sich scheint, will man mit Höchstgeschwindigkeit auf die sich mittelfristig abzeichnenden gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Probleme zusteuern. Friedlich wird es dabei nicht zugehen! Aber das ist ja auch gut fürs Geschäft. Ein neuer Rüstungswettlauf hat ja gerade begonnen!

  • Beim jetzigen Ölpreis sind Erkundungen schlicht nicht wirtschaftlich.



    Auch ist nicht das Thema neue Funde zwingend, sondern wie kann ich aus bekannten Vorkommen noch weitere %-te rausholen durch neue Techniken.



    Der Mensch quetscht alles raus was geht....erst dann wird umgedacht.

  • 158.987.000.000 Liter Ölverbrauch pro Tag... Wahnsinn!

    Auch interessant: habe ich schon öfter gehört, hier mal schnell gegoogelt



    Der größte Einzelverbraucher



    www.hzwei.info/blo...-brennstoffzellen/

    • @danny schneider:

      Ca. 16 nicht 160 Milliarden Liter ;) ...