TV-Triell der Kanzler-KandidatInnen: Noch mal ein Blick auf die Uhren …

Recht machen konnten es die ModeratorInnen des TV-Triells niemandem. Schuld daran waren auch selbst geweckte Erwartungen.

Scholz, Baerbock und Laschet sind während des Triells auf einem Bildschirm zu sehen.

Selten blieb Zeit für mehr als eine Nachfrage Foto: Christophe Gateau/dpa

Maybrit Illner und Oliver Köhr, davon muss man ausgehen, hatten am Montag einen Scheißtag. Die Nachbereitung des Sonntagabends war sicherlich kein Vergnügen, viel positives Feedback gab es für die Moderation des TV-Triells schließlich nicht. Zu schlecht abgestimmt, verkehrte Fragen und, vor allem, völlig falsche Gewichtung der Themen: Den einen waren es zu viele Blöcke in zu kurzer Zeit. Den anderen haben zen­trale Politikfelder gefehlt. Recht haben paradoxerweise beide Seiten, obwohl beides offensichtlich nicht zusammengeht.

Auf der einen Seite stimmt es ja: So schnell, wie die beiden durch die Themen geritten sind, blieb selten Zeit für mehr als eine Nachfrage. Der Part mit der Vermögenssteuer war so ein Fall, der zeigt, was durch das Tempo verlorenging: Die Grünen möchten deren Wiedereinführung prüfen, sagte Annalena Baerbock – eine relativ unverbindliche Aussage, steht doch im Wahlprogramm der Partei konkreter, dass die Vermögenssteuer im Kampf gegen die Ungleichheit ihr „bevorzugtes Instrument“ sei. Rückt die Kandidatin vorsichtig davon ab? Wird sie die Forderung in Sondierungen als erstes aufgeben? Oder will Baerbock nur vor dem Wahltag nicht mit höheren Steuern in Verbindung gebracht werden?

Die Nachfrage hätte sich gelohnt, stattdessen waren darauf aber erst Laschet und dann Scholz dran, bevor schon wieder der nächste Uhrenvergleich anstand. Der CDU-Kandidat lag mit 26 Minuten und 25 Sekunden vorne. Nicht in allen Themenblöcken lief es so, aber doch in einigen, was zur Folge hatte, dass die Kan­di­da­t*in­nen zu oft mit ihren bevorzugten Schlagworten davonkamen. Die Einordnung gerade für das fachpolitisch weniger versierte Publikum fehlte.

Auf der anderen Seite aber, auch das stimmt ja, flöge mit jeder Nachfrage mehr ein anderes Thema potentiell aus der Sendung. Der Klimablock war viel zu schnell vorbei, aber waren nicht auch die unmittelbar darauf folgenden Fragen nach steigenden Mieten wichtig? Wenn Kinder angeblich unsere Zukunft sind, warum war die Familienpolitik nicht ausführlicher Thema? Und haben nicht auch die ganzen Ex­per­t*in­nen für Außenpolitik recht, die auf Twitter schreiben, dass es nach Isolationismus riecht, wenn Fragen nach internationalen Krisen in so einer Sendung fehlen?

Nicht zu machen

Damit nähern wir uns aber langsam schon dem eigentlichen Problem: Selbst wenn die ModeratorInnen ein wenig Kokolores eingespart hätten (die Fragen nach den Koalitionen zum Beispiel, die an anderen Stellen schon ausgiebigst gestellt und beantwortet wurden), wäre bei Weitem nicht so viel Sendezeit freigeworden, dass alle Themen von Relevanz Platz gefunden hätten. Illner und Köhr, wie vor zwei Wochen schon ihre KollegInnen auf RTL, haben mit ihrem Ritt durch die Themen die Erwartung geweckt, dass in neunzig Minuten alles Wichtige vorkommen muss. Das ist in neunzig Minuten aber nicht zu machen. Die Produktenttäuschung war so quasi unausweichlich.

Für den nächsten Wahlkampf könnten die Sender daraus lernen. Ihre TV-Debatten, mit wie vielen Teil­neh­me­r*in­nen auch immer, könnten sie von vornherein thematisch einschränken. Nicht dreimal über möglichst alles reden, sondern je ein Mal ausführlich über ganz zentrale Felder. Schon im Juni gab es einen – damals wenig beachtete – „ARD-Talk“ mit den Dreien ausschließlich zu außenpolitischen Themen, die jetzt viele Ex­per­t*in­nen vermisst haben. Die Sendung hatte Tiefgang, das Konzept hat funktioniert. Warum nicht mehrere solcher Themenrunden, eine zum Klima, eine zu Wirtschafts- und Verteilungsfragen, vielleicht noch eine zu Corona und ganz zum Schluss eine gemischte Debatte zu allem, was bis dahin zu kurz kam?

Vielleicht wäre so ein Konzept sogar schon etwas für den nächsten Sonntag. Dann sind Pro7, Sat1 und Kabel1 mit dem letzten Triell dieses Wahlkampfs dran. Eine undankbare Aufgabe: Wer erwartet da noch etwas Neues, wer schaltet da noch ein, zumal gleichzeitig im Ersten der neue Tatort mit Ballauf und Schenk läuft? Punkten können die Sender höchstens, wenn sie zum Abschluss etwas Überraschendes wagen.

Neunzig Minuten nur zur Klimakrise, dem potenziell beherrschenden Thema der nächsten Jahrzehnte, wäre so eine Überraschung. Genügend Aspekte gäbe es abzufragen. Und gleichzeitig böte so ein Konzept gerade Armin Laschet und Olaf Scholz eine Chance: Ist ihnen das Thema tatsächlich so wichtig, wie sie neuerdings behaupten? Mit ihrer Teilnahme an solch einer Sendung könnten sie es beweisen. Ohne ihre Zustimmung käme ein neues Konzept schließlich nicht zustande.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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