TV-Debatten über Corona: Die Talkshow-Combo der Pandemie
In jeder Talkshow wird über die Coronapandemie gesprochen. Meist auch mit den immer selben Leuten. Kann es da überhaupt noch Neuigkeiten geben?
N eulich, bei Maybritt Illner. „Sag mal, der Lindner, der Blonde und der Dings“, die saßen doch letztens schon alle bei Anne Will zusammen“, sagt die Mitbewohnerin. „Die sitzen doch bestimmt alle in ’nem Tourbus, mit dem sie als Combo von Studio zu Studio brausen.“ Nur dass dieses Mal Olaf Scholz frei hatte und im Bus bleiben durfte. Aber dafür ist ja verlässlich Manuela „Schalte“ Schwesig dabei.
Nach der Pandemie werden es die Menschen schwer haben, dass es sie auch ohne Standbild „Schweriner Schloss bei Nacht“ im Hintergrund gibt. Und Markus „Struwwel“ Söder findet die neuen Coronabeschlüsse jetzt plötzlich prima. Obwohl er bis knapp davor doch noch knallhart „Trau keinem über 35“ propagiert hat. Dann kann er ja auch mal wieder seinen Frisör kommen lassen. Leider wussten wir da alle noch nichts vom dem Nüßlein, das die Union gerade zu knacken hat. Scholz hatte übrigens doch nicht frei, sondern ’nen Solo-Gig zu später Sendezeit bei Lanz.
„Wie viele Menschen hätten Sie mit einem besseren Management retten können?“, stand dann mal wieder als Frage im Raum und blieb unbeantwortet. Aber irgendwann wird er kommen, der Coronazähler links unten am Bildrand, ein Echtzeit-Highscore für Infizierte, Todesfälle und freie Grabstellen. Der Erkenntnisgewinn in solchen Runden? Null. Es gibt nichts Neues, lediglich für alle, die es noch nicht wissen: FDP-Lindner und Grünen-Habeck sind per Du!
Ostern auf Mallorca
Gegen Schluss sagte dann noch jemand „Da sitzen unheimlich viele Experten drin, und das sollten wir respektieren“, was das Dilemma gut zusammenfasst. Manche Dinge wissen wir nach einem Jahr Corona einfach immer noch nicht, wollen das aber nicht so gerne zugeben. Der Rest ist längst zerredet.
Bei Anne Will am Sonntag drauf hatte Scholz dann aber endlich wirklich frei. Dafür saß da Reiner Haseloff und wirkte ein bisschen, als müsse er gegen seinen Willen den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt machen. Haseloff verhedderte sich souverän, warum die Länder schon mit Augenmaß und das muss jeder selbst verantwortlich und überhaupt die Selbsttests!
Als Höhepunkt waren endlich mal wieder die Zeugen Dehogas da, die fest an den unmittelbar bevorstehenden Untergang von Hotellerie und Gastronomie glauben. Und es entspann sich folgender göttlicher Dialog: „Die Menschen fahren Ostern nach Mallorca!“ – Haseloff: „Ja, aber das sollen sie nicht“ – „Das tun sie aber!“ – Haseloff: „Das ist ja das Schlimme!“
Das passt natürlich zu einem Ministerpräsidenten, der seine eigene Fraktion in Sachsen-Anhalt nicht im Griff hat und deshalb letztes Jahr mal eben die Rundfunkbeitragserhöhung versenkte. Nett von der ARD, dass sie ihn überhaupt in den Tourbus lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei