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TTIP und private SchiedsgerichteGabriel für öffentliches Gericht

Doch keine privaten Schiedsgerichte: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will einen Gerichtshof von EU und USA für Investorenklagen.

Sigmar Gabriel will den TTIP-Gegnern nicht noch mehr Argumente liefern Bild: dpa

BERLIN taz | Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geht auf die Kritiker des zwischen der EU und den USA geplanten Freihandelsabkommen TTIP zu: Statt den bisher vorgesehenen privaten Schiedsgerichten soll bei Streit zwischen Unternehmen und Staaten künftig ein US-europäischer Handelsgerichtshof entscheiden.

Private Schiedsgerichte in Investitionsschutzabkommen sind eine deutsche Erfindung. Sie wurden erstmals 1959 in einem Abkommen zwischen Pakistan und der Bundesrepublik vereinbart. Inzwischen hat Deutschland 129 Investitionsschutzabkommen, von denen 85 eine Klagemöglichkeit von Unternehmen vorsehen.

Das bedeutet: Unternehmen können außerhalb der bestehenden Rechtssysteme gegen ein Land klagen, wenn sie ihre Interessen durch staatliche Maßnahmen verletzt sehen. Vattenfall etwa klagt wegen des Atomausstiegs vor einem Schiedsgericht gegen Deutschland auf Schadenersatz von 4,7 Milliarden Euro.

Gedacht waren die Abkommen als Schutz für Unternehmen, die in Ländern mit fragilen Rechtssystemen investieren. Die Schiedsgerichte tagen nicht öffentlich und sind oft mit Anwälten besetzt, die für Unternehmen arbeiten.

Profitinteressen als einzige Leitlinie

Auch in dem zurzeit zwischen EU und den USA verhandelten Freihandelsabkommen TTIP sind solche privaten Schiedsgerichte vorgesehen. TTIP-Kritiker lehnen sie vehement wegen ihrer intransparenten und nicht revidierbaren Entscheidungen ab. Sie fürchten, dass private Schiedsgerichte dazu dienen, Profitinteressen von Unternehmen durchzusetzen. Nach massiven öffentlichen Protesten haben EU und USA Anfang des Jahres den Punkt Schiedsgerichte erst einmal aus den Verhandlungen ausgeklammert.

Um Bewegung in diesen Punkt zu bringen, hat das Bundeswirtschaftsministerium bei dem Erlanger Völkerrechtler Markus Krajewski die Entwicklung eines Konzepts in Auftrag gegeben, das die Kritik auffangen und den Investorenschutz retten soll. Am vergangenen Wochenende hatte Gabriel das Konzept via Süddeutsche Zeitung der Öffentlichkeit vorgestellt. Denn in der kommenden Woche will die EU-Kommission ihre Vorstellungen zu diesem Komplex vorlegen. „Wir sind Vorreiter, damit wir mit den Verhandlungen vorankommen“, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums der taz.

Krajewskis Konzept, das der taz vorliegt, sieht unter anderem öffentliche Verfahren, die Benennung von Richtern statt Anwälten und eine Berufungsmöglichkeit vor. Der Völkerrechtler hat einen konkreten Textvorschlag für das TTIP-Abkommen verfasst, der als Verhandlungsgrundlage dienen soll.

EU-Position noch unklar

Der zuständigen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström liegt das Konzept bereits vor. Unklar ist, inwieweit sich die schwedische Liberale Gabriel anschließt. In einigen zentralen Punkten rennt der Bundeswirtschaftsminister offene Türen ein. So hat Malmström bereits in der Vergangenheit signalisiert, dass sie dafür ist, die Gerichte mit Richtern zu besetzen und eine Berufungsinstanz zu schaffen. In der vergangenen Woche kündigte der Chefunterhändler der EU bei den TTIP-Verhandlungen, Ignacio García Bercero, ebenfalls mehr Transparenz als ursprünglich vorgesehen an.

Zwar stehen viele EU-Länder den Schiedsgerichten positiv gegenüber. Aber bei einem Treffen formulierten sozialdemokratische Regierungspolitiker aus sieben EU-Ländern bereits vor Wochen ähnliche Vorstellungen, wie Gabriel sie jetzt präsentiert hat.

TTIP-Kritiker sehen Gabriels Vorstoß skeptisch. „Das ist eine Nebelkerze“, sagte Peter Fuchs von der TTIP-kritischen Organisation PowerShift und Mitglied im bundesweiten Anti-TTIP-Bündnis gegenüber der taz. „Gabriel will TTIP-Gegner besänftigen“. Fuchs glaubt nicht, dass sich der US-Kongress und der Europäische Gerichtshof auf einen übergeordneten Gerichtshof einlassen werden.

Ein weiteres Problem: Auch das bereits ausgehandelte Abkommen Ceta zwischen der EU und Kanada sieht private Schiedsgerichte vor. Selbst wenn sie aus TTIP verschwinden, könnten Unternehmen noch immer über den Umweg Kanada klagen, fürchtet Fuchs.

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7 Kommentare

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  • Heute hat Kanzlerin Merkel angekündigt " jetzt die Ursachen für Flucht und Vertreibung" zu bekämpfen.

     

    Prima - und das wäre mal ein guter Einstieg:

     

    1. Keine neuen Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA & Co.

     

    2. Alte, unfaire Abkommen annulieren und durch faire "Preis- und Kostenvereinbarungen" ersetzen, mit gleichen Spielregeln. Global.

     

    3. Statt Billiglohnländer durch skrupellohse Unternehmer ausbeuten zu lassen, unseren Mindestlohn global durchsetzen.

     

    Und zwar einseitig. Wenn Deutschland - wie bei der Asylpolitik - vorangeht, wird das Lohnniveau weltweit steigen und auch unsere eigene Wettbewerbsfähig steigern.

  • Da gibt es nun in den USA und Deutschland ordentliche Gerichte, die Urteile fällen im Rahmen der jeweiligen Verfassung - wozu braucht es da noch spezielle Handelsgerichte, die die jeweiligen Interessen berücksichtigen? Der Verdacht liegt nahe, dass Unternehmen, also vornehmlich internationalen Konzernen das Recht eingeräumt werden soll, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen. Gilt eigentlich für Minister der Amtseid nicht mehr?

  • Ein Meisterstück!

     

    Der dicke Gabriel kann ja gar nicht umfallen – allenthalben geschickt woanders hin kugeln ...

     

    "Oben schwimmen" lautet die wahre Devise – woll, Genosse Sigmar?

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Sigmar Gabriel will" ...

    schon wieder irgendwas.

     

    Es wird aber nichts daraus, wie immer, wenn der was "will".

  • Also im globalen Massstab gedacht, ist die ganze SPD incl. Herr Gabriel Wegbereiter völlig irregeleiteter neoliberaler Marktradikalismen, die die sich weiter vertiefende Kluft zw. Arm und Ärmer auf und zwischen den Kontinenten bewusst in Kauf nehmen. Ganz zu schweigen davon, das ja bereits jetzt relativ inhaltsbefreite wie milliardenschwere Unternehmungen auf den sogenannten Märkten geschickt eigefädelt doppelstrategisch sich ihre eigenen Grundgesetze (früher einmal allg. Geschäftsbedingungen) vom Kunden finanzieren wie freiwillig auswendig lernen lassen. Bedeutet, der zukünftige Kunde kauft nicht nur ein Produkt, nein er kauft und denkt quasi in die völlige geistig-fadenscheinige Verschmelzung dahingehend hinein, das an Stelle eines souveränen Staates der souveräne Konzern tritt. Es ist doch geradezu der perfektionierte Schwachsinn, bei der z.B. örtlichen Schulspeisung nicht ausschließlich auf regionale Produkte zurückgreifen zu können, da die Gefahr besteht, das wir dann von einer schwindsüchtigen Lebensmittelfabrik aus USA auf Schadensersatz zu verklagen wären. Mit Aussicht auf Erfolg. Wollen wir so leben? Ich nicht. TTIP und diese ganzen Abkommen sind in Ihrer jetzigen Auslegung für mich der größte anzunehmende Unfall für Demokratien ausser das uns der Himmel auf den Kopf fällt.

  • Wozu ein neues Gericht. Unser Land hat Gesetze und die gelten. Wer hier wirtschaften will hat sich dran zu halten. Alles andere ist Aushöhlung der Demokratie. Vielleicht kann das mal wer diesem aufgeblasenen Wichtigtuer mitteilen.

    • @Jochen Rohwer:

      Richtig, doch sollte dies auch für die im Artikel erwähnten Abkommen aus Vor-TTIP- Zeiten gelten, von dessen eigener Erfindung deutsche Unternehmen heute noch profitieren.