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TTIP und LobbyeinflussFrühwarnsystem für Gesetze

In dieser Woche diskutieren die TTIP-Unterhändler über ein neues Gremium. Es soll Interessensvertretern Einfluss auf Regulierungen und Gesetze sichern.

Die Autoindustrie setzt sich für TTIP ein: Daimler-Chef Dieter Zetsche auf einer Pro-Tagung Bild: ap

BERLIN taz | In dieser Woche verhandeln die Chefunterhändler der EU und der USA in Brüssel weiter über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Vermutlich werden sie dieses Mal nicht über das umstrittene Kapitel diskutieren, das es Investoren erlaubt, Staaten vor einem Schiedsgericht zu verklagen. Aber das Thema, das einem kürzlich geleakten EU-Papier zufolge die aktuell laufende Runde bestimmen soll, birgt genauso viel Streitpotenzial: die sogenannte regulatorische Zusammenarbeit.

Dabei geht es darum zu verhindern, dass Standards oder Gesetze, die den Handel behindern könnten, überhaupt erst entstehen. Ziel der Kommission sei es, ein „effektives, wettbewerbsfreundliches, regulatorisches Umfeld zu schaffen, das transparent und berechenbar für Bürger und Unternehmen ist“, heißt es im Artikel 1 des geleakten Papiers.

Im Klartext bedeutet das: Europäer, die in den USA investiert haben, sollen von der Gesetzgebung aus den USA nicht negativ überrascht werden – und andersherum auch nicht.

Deswegen sollen alle an TTIP beteiligten Staaten einmal im Jahr eine Liste der geplanten Gesetzesvorhaben vorlegen, geht es in Artikel 5 weiter. So könnten im Rahmen des Freihandels bedenkliche Vorhaben frühzeitig erkannt und Beratungen mit dem Partner bei einer zentralen Anlaufstelle beantragt werden.

"Behörde, die Lobbyeinfluss institutionalisiert"

Herzstück dieser Zusammenarbeit soll ein „Regulatory Cooperation Body“ sein, ein Gremium zur regulatorischen Zusammenarbeit. Dieses solle sich mindestens einmal im Jahr auch mit Interessenvertretern austauschen, heißt es in Artikel 15. Dazu zählen theoretisch auch Gewerkschaften und Verbraucherschutzverbände.

Aber zwei Drittel aller Lobbyisten in Brüssel verträten die Interessen von Unternehmen, warnt Max Bank von der Organisation Lobbycontrol. Er sieht in dem geplanten Gremium eine „Behörde, die Lobbyeinfluss institutionalisiert“. Zudem greife sie weit in die demokratischen Rechte der Mitgliedstaaten ein, „wenn Gesetze, bevor sie erlassen werden, daraufhin geprüft werden, ob sie handelsfreundlich sind oder nicht“.

Der EU-Kommission gehe es nur darum, „eine Struktur zu schaffen, über die man sich transatlantisch über Regulierung austauscht“, sagte ihr Berliner Sprecher Reinhard Hönighaus. Die jeweiligen Gesetzgeber blieben frei darin, ob sie nach den Beratungsgesprächen die Bedenken der Handelspartner berücksichtigten.

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7 Kommentare

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  • @Susanne Günther

     

    Ich bin in dieser etwas unübersichtlichen Materie - vgl wiki -

    auch nicht so der Experte -

     

    aber der gravierende Unterschied zu dem via TTIP&CETA - einschließlich des gerade zudem bekanntgeworden leakpaper besteht ja gerade darin -

    daß ganz offensichtlich der Wirtschaftskomplex in die Lage versetzt werden soll - außerhalb jeglicher öffentlicher Kontrolle - die Normgebungsprozeße der zuständigen

    staatlichen Einrichtungen - also der drei! Gewalten - zu usurpieren und

    darüberhinaus - falls da noch störende Krümel bleiben - diese per Schiedsgerichte - die ja keine Gerichte im uns Biederen bekannten Sinne sind - von Tisch zu fegen.

     

    Das hat durchaus auch in der EU Methode -

    als via EU-Administration der Datenschutz (voran deutsche verdächtige Experten im Boot) mit hohen Standards installieren wollte

    Und - die Kommission mizuspiele drohte - da entblödete sich der wirtschaftliche Komplex sich damals nicht - das hinkende Parlament - sonst nicht mit dem Arsch anguckend - zu instrumentalisieren;

     

    kurz - die geldgierige unautorusierte Politkraft - die da vollopfostig-effektiv am Werkeln ist - kann nicht hoch genug einfeschätzt werden.

  • Ich finde, man muss das Ganze differenziert betrachten. Schiedsgerichte etwa können auch Positives bewirken, zum Beispiel: vor staatlicher Willkür schützen: http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-07/yukos-russland-chodorkowski-urteil

    • @Susanne Günther:

      Das Recht eines Multimilliardärs ...

      leider hat die Umwelt keine Milliarden und auch Verbraucher und Steuerzahler werden sich einen solchen Rechtsstreit nicht leisten können ...

  • Kostengünstiger und schneller würde es ablaufen, wenn die Lobbyisten gleich in Brüssel eingestellt und von den Konzernen nach Erfolg vergütet werden würden.

    Auf diesem Planeten der Kapital-Affen läuft Vieles gewaltig schief und es wird nur noch schlimmer!

  • Niemand hat die Absicht, Produkte und *Dienstleistungen* von Daimler und den anderen Autoproduzent.innen zu kaufen. NIEMAND!

    Wer, wie Zetzsche, die Demokratie in den Orkus der Weltgeschichte befördert, gehört vor ein Gericht gestellt und selber abgeurteilt! Wegen des Sich-Vergehens an der Demokratie und an den ihm Schutzbefohlenen (schließlich malochen unter Zettzsche nicht gerade wenige Arbeiter.innen).

  • STAMOKOP -

     

    wie war das noch mal -

    Der Schwanz wackelt mit dem Hund -

    oder Der Hund mit dem Schwanz ?

     

    Einfach nochmal Hartz-IV-Verbrecher

    GazPromGerd fragen -

    Alter-Stamokappi bei den Jusos -

    muß der noch drauf haben -

    Die alte Wildpferdlederstiefelette!

     

    Plattdeutsch is die Sache längst pro

    TTIP et al - entschieden -

    Kaamt wi över denn Hunn -

    Kammt wi ook över denn Steert!

     

    Es können Wetten angenommen werden.

     

    Ps: Danke für Ihren Kommentar. Er wartet auf Freischaltung. Bitte haben Sie Geduld und senden Sie ihn nicht mehrfach ab. - ok -

     

    mit F.K.Waechter - NÖ WIESO!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    „wenn Gesetze, bevor sie erlassen werden, daraufhin geprüft werden, ob sie handelsfreundlich sind oder nicht“

     

    Besser noch: die Lobbyisten direkt in die Ministerien holen, wo dann deren "fachliche Mitarbeit" direkt in die Gesetzesentstehung einfließen kann.