Syrisches Abkommen mit der SDF: Eine Chance für die Kurden
Die Integration der SDF in die syrische Armee ist ein Risiko – aber auch eine Chance für die Kurden. Denn deren größter Feind lauert im Norden.

E twas ungelenk wirkend unterschrieben am Montagabend Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa und Mazloum Abdi ein Abkommen. Abdi ist der Anführer der Syrian Democratic Forces (SDF), die als Streitkräfte des kurdischen Nordostsyriens fungieren. Mit dem Abkommen sollen die SDF in eine Nationalarmee Syriens integriert werden, die Kontrolle über Grenzübergänge sollen sie an Damaskus übergeben. Die Kurden erkennt das Abkommen als „integralen Teil des syrischen Staates“ an und sichert ihnen Teilhabe zu.
Das ist erst mal ein gutes Zeichen. Denn die SDF stehen unter hohem Druck – weniger durch die neue syrische Regierung, als durch die Türkei und die von ihr unterstützten Milizen im Norden Syriens. Luftangriffe durch das türkische Militär sind an der Tagesordnung, dabei sterben Zivilistinnen und Zivilisten.
Und die sogenannte Syrian National Army (SNA), eine türkische Proxymiliz, kämpft mit der SDF um die Vorherrschaft am Boden. Auch an den gezielten Tötungen Hunderter ziviler Alawitinnen und Alawiten Ende der vergangenen Woche und am Wochenende sollen die SNA und ihr verbundene Brigaden beteiligt gewesen –beziehungsweise hauptschuldig sein, wie manche Analysten schreiben, auch wenn das noch unbestätigt ist.
Al-Scharaa und seine Regierung sind der Türkei verbunden. Für das Gebiet um die Stadt Idlib, das er vor der Übernahme Syriens im Dezember 2024 kontrollierte, war das Nachbarland die Lebenslinie in die Welt. Ihre Luftangriffe und ihre Milizen in Nordostsyrien begründet die Türkei stets mit der dortigen Präsenz der PKK und der ihr nahen Kurdenmiliz YPG. Nach einer Reintegration des kurdischen Nordostsyriens greife die Türkei von der Zentralregierung kontrolliertes Staatsgebiet an.
Viele Menschen in Kurdistan vertrauen der neuen Regierung noch nicht – ob ihrer dschihadistischen Vergangenheit wohl zu Recht. Doch die akute Gefahr, die Luftangriffe, Drohnen und Kämpfer, gehen für sie nicht von der Regierung aus, sondern eben von der Türkei. Das Abkommen könnte endlich auch Ankara in die Schranken weisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Maja Göpel zu Union-SPD-Sondierungen
„So wird es männlich, dominant und weiß“
Debatte um Verteidigungsbudget
Hurra, wir rüsten wieder!
Debatte über Solarenergie
Mentalitätswechsel nötig
Wehrbericht zieht miese Bilanz
Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht zur Bundeswehr
Drohungen gegen taz-Redakteur
Chefredaktion zu Anfeindungen gegen Nicholas Potter
BSW nach Bundestagswahl
BSW klagt in Karlsruhe auf Neuauszählung der Wahl