Syrische Flüchtlinge: Diese Kinder suchen eine neue Heimat
Die UN appellieren auf einer Konferenz an ihre Mitgliedsstaaten, gestrandeten Syrern ein Zuhause zu geben. Doch die meisten winken ab.
Diese größte humanitäre Krise seit Ende des Zweiten Weltkrieges war am Mittwoch Thema einer internationalen Konferenz in Genf. Eindringlich appellierten dort UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Filippo Grandi, an die anwesenden Regierungsvertreter von 90 der 193 UN-Mitgliedsstaaten, mehr Menschlichkeit zu beweisen.
Im Rahmen eines „humanitären Umsiedlungsprogramms“ sollen bis Ende 2018 wenigstens 480.000 syrische Flüchtlinge aus dem Libanon, aus Jordanien, dem Irak und der Türkei in Drittländern aufgenommen werden. Die „größte Flüchtlingskrise unserer Zeit“ erfordere eine „exponentielle Zunahme der globalen Solidarität“, erklärte Ban Ki Moon. Doch Beobachter rechneten mit Zusagen zur Aufnahme von maximal 20.000 weiteren Menschen. Das wären dann höchstens insgesamt 190.000, die auf eine neue Heimat hoffen könnten. Am Ende waren es noch weniger (siehe Kasten).
Die UN haben mit der Syrien-Konferenz zur Verteilung von Flüchtlingen ihre selbstgesteckten Ziele verfehlt. Einige wenige Staaten sagten eine Aufnahme von rund 6.000 Syrern zu, teilte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Mittwochabend mit. Die Zahl der Aufnahmen von Syrien-Flüchtlingen sei damit von 179.000 auf 185.000 gestiegen. Geplant sei jedoch, für 480.000 Flüchtlinge langfristige Lösungen zu finden, erklärte das UNHCR. An der Konferenz nahmen mehr als 90 Staaten teil. (epd)
480.000 Menschen, das sind gerade mal 10 Prozent der 4,8 Millionen Flüchtlinge, die in den letzten fünf Jahren Aufnahme in den völlig überlasteten vier Nachbarländern Syriens gefunden haben. Diese 480.000 gelten als „besonders verletzliche Flüchtlinge“: Alte und Kranke, Kinder, die im Krieg ihre Eltern verloren haben, Verwundete oder durch Krieg, Vertreibung und Flucht schwer traumatisierte Personen.
Bereits seit September 2013 appelliert das UNHCR an die Mitgliedsstaaten, durch die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten Syriens diese Länder zu entlasten. Doch bis zum 22. März dieses Jahres erhielt das UN-Flüchtlingshilfswerk von den 193 UN-Mitgliedsstaaten nur Zusagen für die Aufnahme von gerade mal 170.000 Menschen.
Oxfam und andere Nichtregierungsorganisationen beziffern die Summe der tatsächlichen Zusagen sogar auf nur knapp 130.000. Denn einige Staaten hätten ihre Zusagen an unerfüllbare Bedingungen geknüpft oder einmal gemachte Zusagen wieder zurückgezogen. Oxfam ruft deshalb insbesondere die reichen Staaten dazu auf, bis zum Jahresende die Aufnahme eines „fairen Anteils“ der 480.000 besonders verletzlichen Flüchtlinge verbindlich zuzusagen.
Diesen „fairen Anteil“ berechnet die Hilfsorganisation in einer am Dienstag veröffentlichen Studie nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der potenziellen Aufnahmeländer. Nach diesem Berechnungskriterium hat Norwegen sein Soll bereits mit 249 Prozent übererfüllt. Danach folgen Kanada mit 239 Prozent, Deutschland (114 Prozent) und Australien.
Vier weitere Länder haben mit ihren bisherigen Zusagen wenigstens mehr als die Hälfte ihres „fairen Anteils“ übernommen: Finnland mit 85 Prozent, Island (63) sowie Schweden und Neuseeland mit je 60 Prozent.
Die Fotos in diesem Artikel stammen von Muhammed Muheisen. Sie wurden am 14. März im jordanischen Mafraq nahe der Grenze zu Syrien gemacht. Im dortigen Flüchtlingslager Saatari leben etwa 79.000 Menschen. Es ist das größte Flüchtlingslager der Welt und die viertgrößte Stadt Jordaniens. Das Nachbarland Syriens hat weit mehr als eine halbe Million Flüchtlinge aufgenommen. Viele der Kinder in Mafraq trauern ihrer alten Heimat nach. Eine neue haben sie nicht. (taz)
Die Schlusslichter unter den reichen Industriestaaten des Westens bilden die USA und Italien mit jeweils 7 Prozent vor Frankreich und den Niederlanden (je 4 Prozent) und Japan. Die Regierung in Tokio hat bislang überhaupt keine Zusage für die Aufnahme gegeben. Dasselbe gilt für China, Russland sowie Saudi-Arabien und die anderen fünf reichen Ölstaaten am Persischen Golf.
Allerdings bedeuten die Zusagen für die Aufnahme von knapp 130.000 besonders verletzlichen syrischen Flüchtlingen keineswegs, dass diese Menschen wirklich aufgenommen wurden. Tatsächlich konnten seit September 2013 von den 4,8 Millionen syrischen Flüchtlingen im Libanon, in Jordanien, Irak und der Türkei nur 67.100 – oder ganze 1,39 Prozent – in Drittstaaten umgesiedelt werden. Das bedeutet: Weit über vier Millionen Menschen müssen weiter hoffen, dass sich für sie ein Aufnahmeland findet.
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