Aufnahme von syrischen Flüchtlingen: Da geht doch noch viel mehr

Norwegen, Australien, Frankreich, China – vier Länder mit unterschiedlicher Aufnahmebereitschaft.

Kinder vor einer Zeltplane des UNHCR

Weltweit nur bedingt willkommen: Flüchtlinge im jordanischen Camp Zaatari Foto: dpa

Norwegen: „Ihr könnt doch viel mehr“

STOCKHOLM taz | Lob einer internationalen Organisation für die eigene Flüchtlingspolitik? Das hatte Norwegen seit dem Antritt seiner konservativ-rechtspopulistischen Regierung vor zweieinhalb Jahren nicht mehr erlebt. Im Januar war Oslo noch vom UNHCR scharf dafür kritisiert worden, Russland zu einem „sicheren Drittland“ erklärt zu haben und auch syrische Flüchtlinge ohne Asylprüfung dorthin auszuweisen.

Doch nun lobt die Hilfsorganisation Oxfam Norwegen neben Deutschland und Kanada als eines der „reichen“ Länder, die im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft einen „fairen“ Anteil syrischer Flüchtlinge aufnehme.

Das Lob dafür hat allerdings nicht die Regierung verdient. Die wollte ursprünglich nur 1.000 Syrer aufnehmen – weniger als ein Drittel der von Oxfam errechneten „fairen“ Quote. Einer Mehrheit des Parlaments erschien das lächerlich wenig. Sie schlug eine Quote von 10.000 vor.

Daraus wurde ein Kompromiss von 8.000 Flüchtlingen, dem auch die Konservativen zustimmten. Die andere Regierungspartei, die rechtspopulistische Fortschrittspartei, lehnte die Quote als „unseriös hoch“ ab. Auch die oppositionellen Linkssozialisten waren dagegen: Die Zahl sei zu klein.

Das sagte auch der Rockmusiker und Live-Aid-Initiator Bob Geldof bei einem Norwegenbesuch: „Leute, ihr könnt doch viel mehr: 8.000 – das sind gerade mal 0,0016 Prozent der norwegischen Bevölkerung!“ REINHARD WOLFF

Anmerkung wegen ca 1,6 Hinweisen von LeserInnen: Wir sind uns bewusst, dass 8.000 Flüchtlinge 0,16 Prozent der norwegischen Bevölkerung ausmachen würden. Aber Bob Geldof hat nach allen verfügbaren Quellen tatsächlich 0,0016 gesagt.

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Australien: Schöne Worte

CANBERRA taz | „Mit dem Kopf und mit dem Herzen“ habe die Regierung letzten September entschieden, 12.000 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufzunehmen. Doch was der damalige ultrakonservative Premierminister Tony Abbott dem Volk als einen Akt des Mitgefühls für Verfolgte anpries, ist erst einmal im Sande verlaufen.

Flüchtlingshelfer beklagen, dass auch unter seinem Nachfolger Malcolm Turnbull erst ein paar Dutzend Flüchtlinge in Australien Schutz gefunden haben. „Viele Hilfsorganisationen wollen helfen, werden aber kaltgestellt“, kritisierte Paul Power, Chef des Refugee Council of Australia, im Februar.

Kanada als vergleichbares Land habe über 20.000 Flüchtlinge aufgenommen in demselben Zeitraum, in dem es Australien auf ganze 26 gebracht habe. Power macht in erster Linie die Bürokratie für die Verzögerung verantwortlich, denn „an Bewerbungen von Schutzsuchenden fehlt es nicht“.

Dazu kommt die generelle Abneigung der Regierung gegen Flüchtlinge: Kaum im Amt, reduzierte Abbott die Zahl der Flüchtlinge, die in Australien Schutz erhalten sollen, von über 20.000 auf 13.750 pro Jahr. Die syrischen Vertriebenen sollten zusätzlich kommen dürfen – als einmalige Ausnahme.

Kaum eine Chance, je in Australien Schutz zu finden, haben dagegen mehrere Hundert Flüchtlinge, die versuchen, mithilfe von Menschenschleppern per Boot nach Australien zu gelangen. URS WÄLTERLIN

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Frankreich: Tröpfchenweise solidarisch

PARIS taz | Frankreich hat sich ursprünglich bereit erklärt, innerhalb von zwei Jahren 32.000 Flüchtlinge und Vertriebene aus Syrien aufzunehmen. Die Regierung wollte damit ihren guten Willen demonstrieren.

Passend dazu zeigte das französische Fernsehen in einer Reportage, wie sich in München Beamte aus Paris darum bemühten, in Deutschland angekommene syrische Familien zur Weiterreise nach Frankreich zu bewegen. Doch die Franzosen scheinen die Flüchtlinge nicht von ihrer Gastfreundschaft überzeugt zu haben, denn statt Tausenden kamen bisher nur ein paar Hundert Flüchtlinge aus Syrien.

Laut der Tageszeitung Le Monde haben in den griechischen Zwischenlagern gerade mal 0,4 Prozent der befragten Syrer gesagt, sie wünschten sich Frankreich als Exilland. Das passt Paris gut – so lassen sich die niedrigen Zahlen rechtfertigen, ohne eine eigene Schuld daran eingestehen zu müssen.

Trotzdem will Premierminister Manuel Valls bereits vorsorglich die Notbremse ziehen. Er hat bereits mehrfach erklärt, Europa könne nicht weiter Flüchtlinge aus Syrien und Irak aufnehmen.

Sogar die orientalischen Christen, denen Frankreich offiziell eine unbürokratische Aufnahme versprochen hatte, haben es laut Medienberichten immer schwerer, ein Einreisevisum zu bekommen. Da scheint zwischen Regierungserklärungen und der Realität ein Widerspruch zu bestehen. RUDOLF BALMER

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China: Peking redet sich raus

Peking taz | China ist zwar die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, doch Flüchtlinge nehmen die Chinesen so gut wie keine auf. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) hat das bevölkerungsreichste Land der Welt von Januar bis August 2015 gerade einmal 35 Flüchtlinge aufgenommen, davon 26 aus Syrien.

Die chinesische Führung redet sich gerne damit heraus, dass ihr Land noch ein Entwicklungsland sei und selbst jedes Jahr mehrere zehn Millionen Menschen mit Arbeit und Wohnungen zu versorgen habe: Menschen, die vom Land in die Städte ziehen, um der Armut zu entfliehen.

Die Schuld an der derzeitigen Flüchtlingskrise gibt die chinesische Regierung den westlichen Ländern. Mit dem Versuch der USA und ihrer Alliierten, dem Nahen Osten ihr Verständnis von Demokratie aufzudrücken, hätten sie den Zusammenbruch dieser Staaten riskiert, schrieb im Oktober Chinas Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, Wu Sike, in der Volkszeitung, dem Verlautbarungsorgan der chinesischen Führung. Dies räche sich nun.

Dass die meisten Syrer gar nicht nach Europa geflüchtet sind, sondern nach Jordanien, in die Türkei und den Libanon, ignorierte Wu tunlichst.

Die Wahrheit ist: Peking verfügt gar nicht über die Institutionen, Flüchtlinge in großer Zahl aufzunehmen. Obwohl China bereits im Jahr 1982 der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist, haben die Chinesen bisher noch bei keiner Krise die Notwendigkeit gesehen, Hilfe zu leisten.

Immerhin finanziell übernimmt China nun Verantwortung. Die Mittel für die syrischen Hilfsbedürftigen belaufen sich auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. FELIX LEE

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