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Syrienkonferenz in Saudi-ArabienBraucht es die Sanktionen noch?

Syrien ist international so stark sanktioniert wie kaum ein anderes Land. Das soll sich jetzt ändern, sagen arabische und westliche Politiker in Riad.

Außenminister beraten in Riad: Syriensanktionen treffen nicht nur Assad Foto: Saudi Press Agency/dpa

Beirut taz | Die Sanktionen gegen Syrien sollen gelockert werden – darin sind sich hohe Ver­tre­te­r*in­nen von 17 arabischen und westlichen Ländern einig. Sie haben sich am Sonntag zu einer Syrienkonferenz in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad getroffen, darunter Ver­tre­te­r*in­nen aus Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Frankreich, der EU und UN. Saudi-Arabien ist die größte Volkswirtschaft der Region. Das Land hat ein großes Interesse an Wirtschaftsbeziehungen mit Syrien und die Konferenz organisiert. Weil sie das Assad-Regime unterstützt hatten, waren Russland und Iran nicht eingeladen.

Diskutiert wurde, wie die Länder schnelle humanitäre Hilfe leisten, aber gleichzeitig Druck auf die selbsternannte Übergangsregierung ausüben können. Sowohl arabische als auch westliche Po­li­ti­ke­r*in­nen sagen, eine neue syrische Regierung müsse verschiedene Volksgruppen und Religionsgruppen nicht nur schützen, sondern einbeziehen.

Syriens neuer selbsternannter Präsident ist Ahmed al-Scharaa. Er hatte die wichtigste Rebellengruppe der Allianz angeführt, die Assad gestürzt hatte. Weil seine Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) aus dem syrischen Ableger von Al-Qaida hervorgegangen ist, unterliegt sie Sanktionen. Al-Scharaa hat versprochen, bis März eine umfassendere Regierung zu bilden. Seine derzeitige Regierung wird bei den Gesprächen in Riad durch Asaad al-Schaibani vertreten. Er drängte darauf, die Sanktionen aufzuheben.

Es gibt noch viele Bedenken: Über die inklusive Zusammensetzung der Regierung und der Gerichte, die Gewaltverbrechen aufarbeiten sollen. Ob es gelingen kann, unterschiedliche militärische Fraktionen in die Regierungsarmee einzubeziehen. Katar ist besorgt, dass die Minderheit der Alawiten, denen Baschar al-Assad angehörte, rebellieren könnten. Westliche Di­plo­ma­t*in­nen erwarten, dass Al-Scharaa den geplanten Machtübergabetermin im März nicht einhalten kann.

Baerbock sagt humanitäre Hilfe aus Deutschland zu

Weil Essen, Strom und Wiederaufbau einen friedlichen Machtübergang fördern, wollen die westlichen Ver­tre­te­r*in­nen die Sanktionen zumindest graduell aufheben.

Das US-Finanzministerium hatte bereits vergangene Woche angekündigt, US-Beschränkungen über einen Zeitraum von sechs Wochen zu lockern, um wichtige Dienste wie Strom und die Wasserversorgung sowie humanitäre Hilfe nicht zu blockieren. Eingefrorenes Vermögen von Personen oder Organisationen soll aber nicht frei werden. Darunter seien Assad-Verbündete, die syrische Zentralbank und HTS.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Riad zunächst weitere humanitäre Hilfen zu. Deutschland werde das Welternährungsprogramm und verschiedene NGOs mit 50 Millionen Euro für Essen, Medizin und Notunterkünfte unterstützen, sagte Baerbock. „Die Chance auf eine Zukunft für Syrien dürfen wir als internationale Gemeinschaft bei all der berechtigten Skepsis nicht verstreichen lassen. Daher gehen wir als Deutschland und als Europa jetzt erste konkrete Schritte.“

Zwar sollten Ex-Machthaber Baschar al-Assad und seine Verbündeten weiter sanktioniert werden, doch Sanktionen sollten so gelockert werden, dass sie die syrische Bevölkerung unterstützten, so Baerbock. Details nannte sie nicht.

Ende Januar will die EU über Lockerungen entscheiden

Die EU werde prüfen, wie Sanktionen gelockert werden könnten, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Aber die neue Verwaltung Syriens müsse „unterschiedliche Gruppen“ und Frauen einbeziehen und solle „keine Radikalisierung“ bezwecken.

Die EU hatte ab 2011 Sanktionen gegen Syrien verhängt, weil Machthaber Baschar al-Assad friedliche Proteste gewaltsam unterdrückt und einen brutalen Krieg gegen die Bevölkerung geführt hatte. Die Sanktionen richteten sich gegen Personen mit Regime-Verbindungen und Wirtschaftssektoren, von denen die Ex-Regierung profitiert hatte.

Die EU verbietet Investitionen in die syrische Ölindustrie und Unternehmen, die Stromkraftwerke errichten. Es gibt ein Waffenembargo, der Export von Luxusgütern und Überwachungstechnik und Import von syrischem Rohöl ist untersagt.

Um Details zur Lockerung zu besprechen, werden sich die EU-Außenminister*innen am 27. Januar treffen, kündigte Kallas an.

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1 Kommentar

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  • Ich würde gerne wissen, ob die Kurden in Rojava auch Unterstützung und humanitäre Hilfe erhalten, schließlich kämpfen sie gerade mit Teilen der Regierung, die nämlich mit türkischem Geld und Unterstützung sie angreifen und vertreiben wollen. Diese Milizen sind schon Teil der neuen Machtzirkel in Damaskus. Deswegen fehlt mir hier der Informationsstand. Oder erhalten die angreiffenden Milizen jetzt Medizin und Unterstützung?