Symposium zu Körperbildern: Warum lieben Maschinen anders
Ein dreitägiges digitales Symposium des Museums Brandhorst erklärt unter anderem der Zusammenhang von Rassismus und Technologie.
„Jeder Mensch ist ein Künstler“, schreibt Josef Beuys und meint: Kreativität wird immer Wege finden, in Erscheinung zu treten. Kunst wird immer Schranken durchbrechen, weil sie sich äußern muss. Jeder Einzelne ist für die Gestaltung der Gesellschaft verantwortlich. Immer.
In diesen Kontext lässt sich ein Symposium des Museums Brandhorst einordnen, das zwischen dem 21. und 23. Januar digital live ging und auf dem Youtubekanal des Museums dauerhaft einsehbar ist. Es befasst sich mit Körperbildern seit den 1950er Jahren und mit den Zusammenhängen zwischen Skulptur, Technologie und Sex – mit „Future bodies from a recent past“. Denn aus der Art, wie Körper gesellschaftlich definiert werden, ergibt sich, wie sie abgebildet werden, in der Bildhauerei, als Skulpturen – genauso wie in der Technologie, als Roboter.
„Das Begehren der Objekte – Sklaverei und das Sexualleben von Maschinen“ ist der Vortrag von Louis Chude-Sokei überschrieben. Die Frage, die der Klangkünstler, Autor und Wissenschaftler aufwirft, ist die vielleicht radikalste, die in diesem Zusammenhang zu stellen ist: Er bringt tradierte Körperwahrnehmungen mit sexuellen Zuschreibungen und mit einer tiefen, in der Sklaverei verwurzelten Form von Rassismus zusammen. Wie verschieden werden Körper unterschiedlicher Hautfarbe in der öffentlichen Wahrnehmung sexualisiert? Welche Attribute werden ihnen zugeschrieben, und wie lassen die sich historisch herleiten?
Die radikale und daher schmerzhafte, aber durchweg überzeugende These seines digitalen Impulsvortrags ist folgende: Die Zuschreibungen, die schwarze Körper bis heute in der Öffentlichkeit erfahren, ähneln denen von Maschinen und umgekehrt – und andererseits steht sich beides diametral entgegen. In weniger als einer halben Stunde bringt er seinen komplexen Gedankengang auf den Punkt – und zeigt, was ein Impulsvortrag im besten Falle leisten kann: Gedankenanstöße setzen, die sich ins Gehirn einbrennen und die Sichtweise der Zuhörer dauerhaft verändern.
Menschlichkeit abgesprochen
In der modernen Gesellschaft werden Maschinen und KI als Ausdrucksform kühler Rationalität gesehen. Roboter werden in der Sprache vermenschlicht als „Hausdiener“ und führen Funktionen aus, die früher von Sklaven ausgeführt wurden und denen damit ihre Menschlichkeit abgesprochen wurde. Stark vereinfacht: Objekte werden mit Menschen, Menschen mit Objekten auf eine Stufe gestellt.
Zugleich werde der schwarze Körper – insbesondere der weibliche – traditionell stark sexuell überladen. Auch dies degradiere ihn zum Objekt, das nur in Bezug auf ein anderes Individuum, auf ein Subjekt, eine (dem untergeordnete) Existenzberechtigung habe. Während der weiße Körper seit der Industrialisierung in Literatur und Kunst als „elaboriert“ und rational geframt wird, werde der schwarze mit primitivsten sexuellen Konnotationen belegt.
Rassismus und künstlerischer Ausdruck seien besonders eng verknüpft, seit die Industrialisierung in der westlichen Welt die Trennung des Geistes und der Rationalität auf der einen – und der Emotion und des Triebes auf der anderen Seite eingeführt habe. Erstere wird mit dem denkenden Subjekt verknüpft, letztere Objekten zugeschrieben.
Sexroboter und Cybersex treiben den Gedanken der Entmenschlichung noch auf die Spitze und – erneut stark vereinfacht – schließen den Kreis zwischen der Betrachtung von Robotern und Sklaven.
Beispiele aus Popkultur und Literatur
Der Autor und Wissenschaftler lehrt zum Verhältnis von Technologie und „race“ in der westlichen Moderne an der Boston University, wo er auch das African American Studies Program leitet. In seinen Texten – Louis Chude-Sokei ist Chefredakteur des Magazins The Black Scholar und gründete das Klangkunstprojekt „Echolution“ – findet er zahlreiche Quellenbeispiele in der Populärkultur und Literatur, wie Schwarzen seit der Sklaverei und seit der Industrialisierung durch die „weiße“ Deutungsart ihre Menschlichkeit abgesprochen wird, und setzt dem eine kreolische Perspektive der Vermischung entgegen.
Betont sei, dass die Annäherung an erklärende Konzepte für Alltagsrassismus in unbedingter Offenheit geschehen muss, wie die Black-Lives-Matter-Bewegung unmissverständlich klargestellt hat. So kann sich auch die Autorin dieses Textes an Chude-Sokeis Gedanken nur annähern, sie aber nicht abschließend „erklären“ – weil die gelebte Erfahrung fehlt.
Und gerade deshalb ist es ein einmaliges Verdienst der Kuratorin Patrizia Dander, die für dieses Symposium verantwortlich zeichnet, dass sie den komplexen Fragestellungen trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht ausweicht – sondern ihre eigenen Entdeckungen teilt, ihre Sichtweise in einfühlsamen Moderationen transparent macht und durch ihre verstehende Haltung nicht unmittelbar zugängliche Beiträge durch intellektuell scharfsinnige Interventionen für die Zuschauer einordnet.
So wird das Symposium zu einem überzeugenden Beispiel, dass eine Zeit, die kulturelles Leben so stark einschränkt und eine Begegnung mit Künstlern und insbesondere Kunstobjekten auf nicht absehbare Dauer unmöglich macht, ganz neue Formen von Kreativität hervorbringt – und damit auch eine neue Verantwortung für Kulturschaffende. Dander interpretiert diese Verantwortung als das Angebot einer geführten Begegnung mit Gedanken – die das Museum digital ausspielt und damit demokratisiert. Bravo.
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