Sylts Bürgermeister in Bedrängnis: Abwahl wegen Burnout?
Sylts Bürgermeister Nikolas Häckel ist seit Februar wegen Burnout krankgeschrieben. Nun sägt der Hauptausschuss der Gemeinde an seinem Stuhl.
Die Insel Sylt kämpft mit einer Reihe von Problemen. Der überbordende Tourismus nimmt Einheimischen wie von außen kommenden Beschäftigten Wohnraum und treibt die Mieten in die Höhe. Unter den Massen leiden Infrastruktur und Natur.
Im vergangenen Jahr attestierte der Kreis Nordfriesland der Insel dann auch noch eine schlecht organisierte und strukturierte Verwaltung. Diese Kritik richtet sich direkt an Häckel, und ebenso deshalb, weil die Gemeinde seit Jahren keinen gültigen Haushalt vorgelegt hat. Dass Punks bisweilen auf der Edelinsel campieren, erscheint da als vernachlässigbares Ärgernis.
Der jung wirkende Bürgermeister sollte all diese Herausforderungen gut kennen. Als geborener Sylter ist er seit 2015 im Amt. Mit 68,4 Prozent der Stimmen wurde er 2021 für eine weitere sechsjährige Amtszeit bestätigt. Auf seiner Website gibt er sich leidenschaftlich und mit Herz seiner Heimat und den Interessen der SylterInnen verbunden.
Häckel lehnt einen Rücktritt ab
Der Diplom-Verwaltungswirt stellt sich als nahbar, offen für Neues und weitsichtig dar – wie ein Macher, der gleichzeitig achtsam und poetisch ist. Er verweist auf sein ehrenamtliches Engagement, seine Vereinsmitgliedschaften und darauf, dass er die Sylter Natur genieße – gern in Kombination mit Freunden bei einem Ausritt oder einem „schönen Glas Wein“. Allerdings habe er sich bei seinem Einsatz für die Gemeinde als Mensch vernachlässigt, was zu seiner Erkrankung geführt habe.
Häckels Arzt riet ihm daher von einer Teilnahme an der Hauptausschusssitzung ab, weshalb ihn dort sein Rechtsanwalt Trutz Graf Kerssenbrock vertrat. Dieser sagte der taz, dass es nicht rechtens sei, vom Bürgermeister aus dem Krankenstand heraus ein Statement zu fordern. Häckel sei momentan aufgrund seiner Krankheit grundsätzlich nicht zu sprechen. Einen Rücktritt lehnt der Bürgermeister ab, wie Graf Kerssenbrock bei der nicht öffentlichen Sitzung mitteilte.
Dort wurde beschlossen, dass die Anwälte der Insel und des Bürgermeisters bis zum nächsten Hauptausschuss am 28. Mai zu einer Lösung kommen sollen, sagte ein Pressesprecher der Gemeinde Sylt. Ist das nicht möglich, erwägen die Fraktionen laut NDR, ein Abwahlverfahren zu beantragen, das von der Gemeindevertretersitzung bis zum 23. Mai beschlossen werden müsste. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die stimmberechtigten BürgerInnen der Insel könnten die Abwahl dann durchsetzen.
Aus Sicht Graf Kerssenbrocks wäre das aber genauso rechtswidrig wie schon die „Einladung“ der Fraktionen an Häckel zu einer Stellungnahme. Das gleiche einer Kündigung im Krankenstand wegen Krankheit. Komme es trotzdem dazu, wäre das eine Sache fürs Arbeitsgericht, sagt der Rechtsanwalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit