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Probleme bei der LebensmittelindustrieMit freundlichem Wegschauen

Kommentar von Svenja Bergt

Die Nahrungsmittelindustrie weist viele Missstände auf. Doch die deutsche Politik lässt auf wirksame Regeln warten.

Viel Zucker für eine Hand voll Vitamine Foto: Hendrik Schmidt/dpa

U nnötige Nahrungsergänzungsmittel, die viel zu viel Vita­mine oder Mineralstoffe enthalten und auch noch speziell für Kinder vermarktet werden – vor diesem absurden Auswuchs der Nahrungsmittelindustrie haben Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen am Mittwoch gewarnt. Doch die Liste der Missstände ist noch viel länger: Die Bedingungen, unter denen die meisten Nutztiere gehalten werden, sind erschreckend.

Hochverarbeitete Lebensmittel sind häufig billiger als frische Waren. Hersteller werben mit irreführenden Slogans für angebliche Gesundheitsvorteile. Die Vielfalt an Zusatz- und Farbstoffen ist derart groß, dass Menschen ohne Chemie-Vorbildung leicht den Überblick verlieren. Und der Nutri-Score, der mit seinen Ampelfarben angeblich Orientierung bei der Produktauswahl bieten soll, stiftet mangels Transparenz und Vergleichbarkeit eher Verwirrung.

Und die Politik? Traut sich nicht, grundsätzliche Schritte zu gehen. Dabei könnte sie einiges tun: zum Beispiel stark zuckerhaltige Lebensmittel extra besteuern. Oder die Mehrwertsteuersätze mal grundsätzlich neu sortieren – und zwar entlang aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse dazu, was in Sachen Ernährung, Tier- und Klimaschutz eigentlich sinnvoll ist und was eher nicht.

Sogar der Bürgerrat Ernährung, bei dem eine Gruppe von zufällig ausgewählten Menschen unter wissenschaftlicher Beratung Empfehlungen ausarbeitete, sprach sich für eine solche Reform aus. Doch die zuständigen Po­li­ti­ke­r:in­nen zögern stets. Und begründen ihre Zurückhaltung gerne damit, dass man ja nicht in den freien Markt eingreifen und die Mündigkeit der Ver­brau­che­r:in­nen beschränken wolle.

Als ob die aktuellen Regeln keine Lenkungswirkung hätten. Im Gegenteil, die haben sie – nur leider nicht zum Vorteil der Verbraucher:innen. Stattdessen darf noch eine ganz andere Branche profitieren: die Pharmaindustrie. Mit Medikamenten wie den Abnehm- und Diabetesspritzen Wegovy und Ozempic reagiert sie auf das, was die Nahrungsmittelindustrie mit freundlichem Wegschauen der Politik kaputtmacht.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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2 Kommentare

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  • Schaffen wir mit mehr Regeln, Gesetzen und Kontrollen wirklich eine bessere Welt, oder einfach einen riesigen Berg Bürokratie? In Wirklichkeit wissen wir doch alle so einigermaßen, was gesund ist und was nicht - oder wir haben zumindest Möglichkeiten, uns zu informieren. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Annahme, dass gesunde Lebensmittel billiger werden, wenn ungesunde noch mehr kontrolliert werden. Wir sind beim Einkauf mündige Bürger, und wenn wir ungesunden Ferigfraß kaufen, dann weil es uns schmeckt, weil wir keine Zeit haben, zu faul oder zu bequem sind, selbst zu kochen oder vernünftig einzukaufen, oder einfach weil es sich gut anfühlt. Aber doch nicht, weil es zu wenig Bürokratie und Kontrolle gibt.

  • It's all about PROFIT, stupid!!!