Südkoreas suspendierter Präsident: Der sture Widerstand des Yoon Suk Yeol
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol verschärft die Krise mit seinem Kampf gegen die Justiz. Währenddessen provoziert Nordkorea mit einem Raketentest.
Mit ihren Südkorea-Flaggen und roten Leuchtstäbchen fungieren sie als menschliche Schutzschilde: Wer auch immer Yoon verhaften will, muss an dieser wütenden Menge vorbei.
„Wir unterstützen ihn, weil er für Gerechtigkeit steht, für Rechtsstaatlichkeit und Patriotismus“, sagt ein 35-Jähriger, der trotz später Stunde eine schwarze Sonnenbrille trägt. Mit Freunden ist er vor den Präsidentensitz gezogen, die Kälte versuchen sie mit Wärmekissen und viel Überzeugungskraft zu bekämpfen.
„Stop the Steal“ steht auf ihren Schildern – eine Anspielung darauf, dass die linke Opposition angeblich die Parlamentswahl von den Konservativen gestohlen habe. Yoons Anhänger sehen sich dabei in der Tradition des 6. Januar 2024, als vor genau vier Jahren Trump-Anhänger das Capitol in Washington stürmten.
Unterstützer von Yoon
Verschwörungstheorien haben Konjunktur
„Yoons Entscheidung für das Kriegsrecht war ein Alarmsignal, um die Südkoreaner wachzurütteln“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Sein Freund sagt: „Die koreanischen Linken sind allesamt kommunistische Spione: Sie wollen das Land an China verscherbeln.“
Es ist eine extrem polarisierte, teils auf kruden Verschwörungstheorien beruhende Rhetorik, die Südkoreas Politik immer stärker prägt. Und sie ist ein Grund dafür, warum Yoon auch eine Woche nach dem Haftbefehl gegen ihn noch auf freiem Fuß ist: Die Gesetzeshüter fürchten eine Eskalation.
Am Montag, nur wenige Stunden vor Ablauf des Haftbefehls, bat die ermittelnde Antikorruptionsbehörde die Polizei, nach mehreren gescheiterten Versuchen die Verhaftung nun selbst zu vollstrecken. Doch auch wenn die Polizei dem präsidialen Sicherheitsdienst zahlenmäßig hoch überlegen ist, rührte sie keinen Finger – wegen „rechtlicher Bedenken“.
Es ist wie ein K-Drama, nur spektakulärer: Ein geschasster Präsident, der das Kriegsrecht gegen sein Land ausruft, von einer Verschwörung Nordkoreas schwadroniert und sich über die Staatsmacht stellt.
Provokante Raketen aus Nordkorea
Am Montagmittag schließlich feuerte erstmals in diesem Jahr Nordkorea ein Geschoss Richtung Ostmeer ab. Sollte sich die erste Einschätzung von Südkoreas Generalstab bewahrheiten, handelte es sich gar um eine Hyperschallrakete. Die, so Experten, verfüge über genügend Reichweite, um die US-Pazifikinsel Guam zu treffen.
Schon in normalen Zeiten ist ein solcher Raketentest Nordkoreas eine Provokation. Schlittert Südkorea jedoch in ein tiefes Machtvakuum, ist die Bedrohung viel höher.
Während das Projektil 1.000 Kilometer östlich der koreanischen Küste versank, befand sich US-Außenminister Antony Blinken schon in Seoul. Mit seinem Amtskollegen Cho Tae Yeol beschwor er die „eiserne Allianz“ zwischen Washington und Seoul, die auch von der Staatskrise unangetastet sei.
Während der Pressekonferenz der beiden Minister kritisierte Blinken die wachsende Militärachse zwischen Moskau und Pjöngjang. Erstmals nannte er konkret, was die Nordkoreaner für ihre Soldaten- und Munitionslieferungen an Russland von dort erhalten: „Wir glauben, dass Russland die Absicht hat, Weltraum- und Satellitentechnologie mit Nordkorea zu teilen“, so Blinken.
Blinken kritisiert Putins Nähe zu Nordkorea
„Die größten Rivalen, die es Russland ermöglichen, seine Aggressionen gegen die Ukraine fortzusetzen, sind Nordkorea – mit Artillerie, Munition und Truppen – und China, dessen Firmen die russische Verteidigungsindustrie unterstützen“.
Zudem stünde Putin kurz davor, Nordkorea auch offiziell als Atommacht anzuerkennen. Sollte dies eintreten, dann wäre die Büchse der Pandora – wieder einmal – geöffnet. Seit den 1990ern wäre das Kim-Regime der erste Staat, dem es gelänge, mit der Entwicklung eigener Atomwaffen durchzukommen.
Ironischerweise war es ausgerechnet Yoon Suk Yeol selbst, der die Debatte über eine eigene südkoreanische Atombombe in den öffentlichen Mainstream erhoben hat. Ob es dazu kommt, wird auch davon abhängen, ob das Verfassungsgericht seine Amtsenthebung bestätigt.
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