Sudan: Friedenstruppen auf der Flucht
Mutmaßliche Splittergruppen der Rebellen in Sudans Kriegsregion Darfur haben eine AU-Militärbasis erobert. Sudans Regierungsarmee rettet nun die AU-Soldaten.
BERLIN taz Die Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) in Sudans Kriegsregion Darfur hat ihren schwersten Angriff seit Beginn ihrer Stationierung 2004 erlitten. Zehn Tote, acht Verletzte sowie 40 Vermisste sind die Bilanz eines koordinierten Angriffs rund 1.000 bewaffneter Männer in 30 Militärfahrzeugen auf die AU-Basis Haskanita in der Provinz Norddarfur in der Nacht zum Sonntag.
Der Angriff kurz nach Sonnenuntergang am Samstag führte zu einer mehrstündigen Schlacht; als den AU-Truppen am Sonntag kurz vor Sonnenaufgang die Munition ausging, wurde ihr Stützpunkt von den Angreifern eingenommen, geplündert und zerstört. Am Sonntag befanden sich die meist aus Nigeria stammenden dort stationierten Soldaten der AU per Hubschrauber auf der Flucht. Von den Vermissten wurden gestern noch 23 Personen gesucht.
Nach ersten Berichten sind sieben der Toten Soldaten aus Nigeria, zwei sind Militärbeobachter aus Botswana und Mali und einer ist ein Polizist aus Senegal. Die genaue Identität der Angreifer ist nicht klar. AU-Offiziere, die nicht genannt werden wollten, machten zunächst Kämpfer von Darfurs größter Rebellenbewegung, SLA (Sudanesische Befreiungsarmee), verantwortlich. Die Region um Haskanita ist Kampfgebiet zwischen Sudans Regierungsarmee und Rebellen der größten SLA-Fraktion Unity sowie einer Splittergruppe der zweitgrößten Rebellenbewegung, JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit). Beide Bewegungen wiesen jedoch die Verantwortung für den Angriff zurück.
SLA-Unity-Führungsmitglied Suleiman Jamous sagte, falls es Rebellen waren, hätten sie auf eigene Initiative gehandelt. "Ich habe die SLA-Unity-Führung gebeten, alle Truppen aus der Region abzuziehen, um sie unter direkte Kontrolle der Militärführung zu bringen", so Jamous. JEM-Führungsmitglied Ibrahim Jalil verurteilte den Angriff und sagte, er sei wohl von "Dissidenten" verübt worden, "die nach Fahrzeugen und Waffen suchen und die AU als leichtes Ziel einschätzten".
Abu Bakr Kadu, ein Militärkommandant der SLA-Unity, sagte, es habe vor dem Angriff den ganzen Samstag lang Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungsarmee um Haskanita gegeben, und die AU habe sich "vielleicht" zwischen den Fronten befunden. "Die Regierung nutzt die AU als Schutzschild", sagte er.
Es ist nicht das erste Mal, dass Darfurs Rebellen der AU-Truppe Zusammenarbeit mit Sudans Regierung vorwerfen. Die überlebenden AU-Soldaten aus Haskanita wurden unter sudanesischer Militäreskorte aus der verlorenen Basis in die Provinzhauptstadt El Fasher evakuiert. "Es mag nicht korrekt sein, das zu sagen, aber die Regierungstruppen retteten uns", sagte ein nigerianischer AU-Offizier. Die Regierungsarmee nahm Haskanita Sonntagfrüh wieder ein und sorgte für die Evakuierung der AU-Truppen.
Vor dem jüngsten Angriff hatte die rund 7.000 Mann starke AU-Truppe in Darfur insgesamt rund 19 Soldaten und 100 Fahrzeuge verloren. Die rund 7.000 Mann starke AU-Truppe soll bis Jahresende in eine gemeinsame AU-UN-Eingreiftruppe mit einem robusteren Mandat verwandelt werden. Die ersten UN-Verstärkungen sollen bereits im Oktober eintreffen, parallel zu neuen Friedensverhandlungen für Darfur, die am 27. Oktober in Libyen beginnen sollen. Gestern aber drohte Senegal, es werde seine Truppen eventuell schon früher abziehen. Erst im April waren fünf senegalesische AU-Soldaten in Darfur getötet worden.
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