Suche nach Energieressourcen: Ruanda setzt auf Atomkraft
Als aufstrebendes Land steigt Ruanda in die Atomenergie ein. Kooperationspartner ist Rosatom, Russland lockt auch andere afrikanische Staaten.
Wer zahlt, ist bislang unbekannt. Bei einem ähnlichen Projekt in Ägypten bewilligten russische Staatsbanken dem ägyptischen Staat ein Darlehen von über 22 Milliarden Euro. Dafür soll der russische Energieriese Rosatom in El Dabaa am Mittelmeer bis 2026 einen gigantischen Atomkomplex bauen, Ägypten selbst schultert nur 15 Prozent der Kosten.
Das geplante nukleare Forschungszentrum in Ruanda soll zunächst keinen Atomstrom produzieren. Es geht um andere Anwendungsbereiche: unter anderem um die Haltbarmachung von Ernten und um Strahlentherapien für Krebspatienten.
Bereits jetzt verfügt das Militärkrankenhaus in Kigali über ein Strahlentherapiegerät, das bislang 350 Krebspatienten eine Behandlung ermöglichte, die deutlich billiger ist als im Ausland. In Indien beispielsweise kostet eine Strahlentherapie 8.500 Dollar, in Ruanda hingegen nur 1.750 Dollar, die von den heimischen Krankenkassen übernommen werden.
Alle Anwendungen friedlicher Natur
„Wenn wir über keine Fertigkeiten in diesen Anwendungsbereichen verfügen, wird das zu einem großen Problem“, sagte Claver Gatete, Ruandas Minister für Infrastruktur, zu den Parlamentariern. Alle geplanten Anwendungen seien friedlicher Natur. Derzeit studieren bereits 50 junge Ruander in Russland Nuklearwissenschaften und trainieren an dortigen Reaktoren.
Die Anlagen sollen auch der Exportwirtschaft helfen: Ruandas Fluggesellschaft RwandAir fliegt mittlerweile im großen Stil Gemüse, Obst, Schnittblumen und frischen Fisch ins Ausland – zum Teil bis nach Europa. Um die Haltbarkeit der Waren zu gewährleisten, seien die Bauern vielfach gezwungen, vor der eigentlichen Reife zu ernten, sagte Gatete.
Um Reifung und Insektenbefall zu verhindern, könnte ionisierte Strahlung genutzt werden. „Wenn wir diese Technologie nicht haben, können wir beim Export von landwirtschaftlichen Produkten nicht wettbewerbsfähig sein“, sagte Gatete. Die Haltbarmachung durch Strahlen ist in der EU nur bei Gewürzen erlaubt.
Ruanda will in den nächsten Jahren aus der Abhängigkeit der Entwicklungshilfe herauskommen und bemüht sich um wirtschaftliche Entwicklung. Der ostafrikanische Binnenstaat ist mit gut 12 Millionen Einwohnern das am dichtesten besiedelte Land des Kontinents. Ruanda gilt als aufstrebend, doch es fehlt an Energieressourcen.
Die Grünen sind dagegen
Und so stimmten 76 der 78 anwesenden Abgeordneten für das Abkommen. Nur die beiden Abgeordneten der Demokratischen Grünen Partei waren dagegen. „Neben einer Nuklearanlage zu wohnen, ist, wie neben einer Atombombe zu leben, die jederzeit explodieren kann“, sagte Grünen-Chef Frank Habineza. Wenn man die hohe Bevölkerungsdichte in Kigali berücksichtige, gebe es keinen sicheren Ort dafür. Sein Parteikollege Jean Claude Ntezimana betonte, die Frage der Entsorgung des Atomabfalls sei in dem Abkommen nicht ausreichend geklärt. Die Grüne Partei ist in Ruanda nur eine kleine, aber die einzig wirkliche Oppositionspartei. Sie wurde 2013 registriert und gewann bei den vergangenen Wahlen 2017 mit 5 Prozent der Stimmen zwei Sitze im Parlament.
Ruanda ist nicht der erste afrikanische Staat, der auf Atomenergie aus Russland setzt. Ägypten, Südafrika, Sambia, Äthiopien und Nigeria haben sich auf ähnliche Deals mit Rosatom, dem weltweit größten Atomkonzern, eingelassen. Ghana, Uganda, Sudan und die Republik Kongo haben ebenso Abkommen unterzeichnet, allerdings gehen diese nicht so weit. Das hängt indirekt mit Europa zusammen. Seitdem die EU als Folge der russischen Invasion auf der Krim Sanktionen verhängt hat, sucht Moskau verstärkt nach neuen Partnern – auch in Afrika. Mittlerweile unterhält Rosatom in 12 Ländern weltweit 33 Atommeiler – nur einer steht bislang in Afrika: ganz im Süden am Kap.
Das soll sich ändern. „Afrika ist für uns wirklich die letzte Hürde“, sagt Dmitri Schornikow, Rosatom-Chef für Afrika, zur taz „Wir glauben fest daran, dass die Kernenergie eine kostengünstige und verlässliche Alternative ist für Länder, die ihre Energieversorgung verbessern wollen.“ Er lockt die Afrikaner mit einem Komplettpaket, das Finanzierung, Betrieb, Ausbildung von Fachkräften bis hin zur Entsorgung des Atommülls beinhaltet. Er wolle „die effektivste Lösung“ parathaben, „die die Erzeugungskosten pro Kilowattstunde reduzieren kann“, sagt Schornikow.
Afrikas Hunger nach Strom ist gewaltig. Bislang haben 60 Prozent der Bevölkerung noch keinen Zugang zu Elektrizität. Im Vergleich: In Deutschland wird derzeit so viel Strom erzeugt, dass es für den ganzen Kontinent südlich der Sahara reichen könnte. In Afrika nutzt man noch vor allem Dieselgeneratoren, Staudämme, Sonnenlicht oder Gas. Ruanda versucht zudem seit zehn Jahren, Strom aus dem im Kivu-See aufgelösten Methangasvorkommen zu erzeugen. Doch der Strom reicht nicht aus, die Preise sind hoch.
Argumente der Atomlobbyisten
Da klingen die Argumente der Atomlobbyisten verlockend: Laut Angaben der Internationalen Energie-Agentur (IEA) ließe sich die verfügbare Strommenge in den meisten Ländern Afrikas mit nur einem einzigen Reaktor verdoppeln.
Bereits 2009 hat Nigeria mit Rosatom eine Absichtserklärung unterzeichnet: Die Russen sollten das bevölkerungsreichste Land des Kontinents nach Uranvorkommen abscannen, dafür beim Aufbau des Nuklearsektors helfen. Dann wurde das Projekt wegen des GAUs in Fukushima 2011 vorübergehend gestoppt. Erst im November 2017 unterzeichneten beide Seiten ein Abkommen zum Bau eines Atommeilers. Kostenfaktor: 20 Milliarden Dollar.
Auch Ghana hatte 2012 Gespräche mit Rosatom aufgenommen. Doch wegen Fukushima sah sich das Land nach Alternativen um. Ähnlich anderswo: In Äthiopien wurde 2011 mit dem Bau des Renaissance-Damms am Blauen Nil begonnen, mit 6.000 Megawatt Leistung das größte Wasserkraftwerk des Kontinents. Er wird gerade geflutet und soll demnächst ans Netz gehen.
Im Kongo wurden zuletzt wieder die Pläne für den Inga-Staudamm vorangetrieben. Er könnte theoretisch fast den ganzen Kontinent elektrifizieren. Das Problem: Seit Jahrzehnten gibt es Finanzierungsprobleme. Wann er fertig wird, bleibt unklar.
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