Suche nach Corona-Impfstoff: Dumpfe Propaganda
China meldet, einen Impfstoff gegen Corona zu haben. Das ist vorschnell – klinische Tests wurden übersprungen.
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N ach Russland prescht ein weiteres Land bei der Impfstoffentwicklung vor. Nachdem Putin verkündet hatte, durch Umgehung der klinischen Tests habe sein Land schon jetzt einen Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen, drückt nun auch China aufs Tempo. Was Chinas Vorgehen ähnlich heikel macht wie das des russischen Präsidenten: Peking erlaubt „Freiwilligen“, sich ohne klinische Tests Stoffe injizieren zu lassen. Solche Verfahren sind riskant und dumpfe Propaganda.
Riskant, weil mögliche Nebenwirkungen einfach mal außer Acht gelassen werden. Dabei hat gerade China schon mehrfach schlechte Erfahrungen mit der vorschnellen Zulassung von nicht ausreichend erprobten Medikamenten gemacht. Das Vertrauen der Bevölkerung in Mittel aus dem eigenen Land ist gering – es wäre für das Erreichen der Herdenimmunität aber eine wichtige Voraussetzung.
Die Entwicklung eines Impfstoffs ist nur ein Teil der Herausforderung – auch Herstellung und Logistik gehören dazu. Russland und China setzen bei ihrer Suche auf konventionelle Impfstoffe. Diese lassen sich zwar schnell entwickeln, doch ihre Herstellung ist aufwendig und braucht Zeit.
Die derzeit vielversprechendsten Biotechfirmen wie Biontech, Curevac und Moderna hingegen setzen auf die mRNA-Technologie. Für diese Methode werden nur geringste Mengen eines Wirkstoffs benötigt. Sobald er die klinischen Testphasen erfolgreich durchlaufen hat, können diese Firmen binnen kurzer Zeit Milliarden Dosen zur Verfügung stellen. Schon jetzt setzen sie bei der Produktion auf die Hilfe von Pharmaunternehmen in aller Welt.
Und das ist schon jetzt der eigentliche Erfolg: Dutzende Pharmaunternehmen haben gleich zu Beginn der Pandemie ein Konsortium gebildet. Ihnen geht es nicht darum, wer der Erste ist, sondern wie die Welt so rasch wie möglich an einen wirksamen Impfstoff für alle gelangt. Dafür teilen sie alle relevanten Informationen. Auf diese Weise haben sie schon jetzt jahrzehntelange aufwendigen Forschung auf wenige Monate verkürzt. Nationale Alleingänge haben ausgedient.
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