Subventionen für Massentierhaltung: Fleischproduzenten mit Appetit
Mehr als eine Milliarde Euro an Subventionen fließen jedes Jahr in die Massenhaltung von Geflügel und Schweinen. Die Vergabe der Mittel sei aber unklar, so der BUND.
BERLIN taz | Der Staat subventioniert die intensive Schweine- und Geflügelhaltung in Deutschland jährlich mit mehr als einer Milliarde Euro. Dies gehe zu Lasten der Umwelt und benachteilige zudem besonders tiergerecht produzierende Erzeuger, kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am Montag in Berlin. Er forderte deshalb, die Subventionen für die Fleischproduktion sofort einzustellen.
Der Großteil der Agrarsubventionen wurde dem Verband zufolge 2008 und 2008 für den Anbau von Futtermitteln für Mastschweine, Masthühner und Puten verwendet: 950 Millionen Euro jährlich. Der Bau großer Mastanlagen sei mit 80 Millionen Euro pro Jahr unterstützt worden: 2008 erhielten sächsische Firmen mit 26 Millionen Euro die bundesweit höchsten Zuschüsse für neue Geflügel- und Schweinemastanlagen, 2009 strichen Betriebe in Bayern mit 20 Millionen am meisten ein. Die zehn größten Schlachtfirmen bekamen laut BUND knapp 20 Millionen Euro jährlich - meist in Form von Exportsubventionen. Allein das Brandenburger Unternehmen Doux Geflügel habe 2008 4,7 Millionen Euro kassiert.
Die Subventionspraxis sei von außen nicht nachvollziehbar und würde die intensive Massentierhaltung weiter fördern, kritisierte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. "Die Massentierhaltung schadet dem Klima und der Artenvielfalt, belastet durch Überdüngung die Gewässer und setzt Tiere unnötigen Leiden aus."
Der Antibiotikaeinsatz, der in der Massentierhaltung sehr verbreitet ist, bedeute ein Gesundheitsrisiko, zudem würden die Agrarsubventionen die Konzentrationsprozesse bei Mast- und Schlachtbetrieben verstärken und so zu Arbeitsplatzverlusten führen. Stattdessen verlangt der BUND-Vorsitzende, besonders nachhaltige Fleischerzeugung und regionale Verarbeitung gezielt zu fördern.
Zudem fordert Weiger, die Agrarsubventionen künftig strenger an Umwelt- und Tierschutzstandards zu binden. Die EU-Kommission plane zwar, künftig 30 Prozent ihrer Zahlungen an die Einhaltung von Umweltschutznahmen zu koppeln. Dem BUND gehen die Maßnahmen aber nicht weit genug, weil beispielsweise Tierschutzkriterien bisher völlig fehlten.
Nach Angaben der Umweltorganisation wächst die Schweine- und Geflügelerzeugung in Deutschland seit Jahren. Mittlerweile werde in Deutschland mehr Fleisch produziert als verzehrt, also zunehmend in Drittländer außerhalb Europas exportiert - zu Lasten von Entwicklungsländern, wie BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning betont. Sie fordert, die Bürgerbeteiligung bei der Genehmigung neuer Mastanlagen erheblich zu stärken: "Es darf nicht sein, dass gegen den Willen der Betroffenen vor Ort mit weiteren Massentierhaltungsanlagen die Überproduktion noch verschärft wird." Der Bauernverband äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht zu der BUND-Studie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin