Subtile Botschaften bei den Oscars: Saumselige Zeremonie
Bei der Oscar-Verleihung geht alles seinen gewohnten männlichen Gang – doch die Botschaften des Widerstands sind kreativer als viele Filme.
Wenn die Karawane immer noch mehr oder weniger ungerührt weiterzieht, muss das Detail für den Fortschritt in die Bresche springen. Der reale Kapitalismus der Gegenwart schafft es 2020 zwar erstmals, mit dem südkoreanischen Film „Parasite“ einen fremdsprachigen Beitrag mit dem Oscar als bester Film auszuzeichnen.
Aber sonst geht alles seinen gewohnten männlichen weißen Gang. Die Botschaften der Zukunft kommen als in Kleider gestickte Flaschenpost daher: Waad al-Kateab, die Erzählerin und Regisseurin von „For Sama“, einem Film über ihr Leben im syrischen Weltkrieg, bestickte den Saum ihres Kleides mit einem arabischen Gedicht, auf Deutsch: „Wir haben es gewagt zu träumen, und wir werden nicht bereuen, auf unsere Würde bestanden zu haben.“
Für mehr Aufmerksamkeit im immer noch hübsch qualifizierenden deutschen Medienmarkt sorgt der Weltstar Natalie Portman: In einem weiteren Jahr, in dem keine Frauen für die beste Regie nominiert wurden, ließ Portman eine Liste übersehener Namen entlang des Saums ihres schwarzen Dior-Umhangs sticken.
Größter Abräumer des Abends war die südkoreanische Satire „Parasite“, die den Oscar für den besten Film gewann; Regisseur und Produzent Bong Joon Ho erhielt zudem den Regie- und Originaldrehbuch-Oscar sowie den Preis für den besten internationalen Film. Beste Hauptdarstellerin wurde Renée Zellweger für ihre Darstellung der Sängerin Judy Garland, Joaquin Phoenix bekam für den „Joker“ einen Oscar als bester Hauptdarsteller. Brad Pitt und Laura Dern gewannen Oscars als beste Nebendarsteller. Pitt wurde für seine Rolle in dem Quentin-Tarantino-Film „Once Upon a Time in Hollywood“ ausgezeichnet, Dern für „Marriage Story“ des Regisseurs Noah Baumbach. (dpa)
„Ich wollte die Frauen, die für ihre unglaubliche Arbeit in diesem Jahr nicht anerkannt wurden, auf meine Art und Weise würdigen“, sagte sie in einem Interview auf dem roten Teppich. Zu den Regisseurinnen, die auf ihrem Umhang genannt werden, gehören Lorene Scafaria, Greta Gerwig, Mati Diop, Marielle Heller, Melina Matsoukas, Alma Har'el, Céline Sciamma und Lulu Wang.
Und im nächsten Jahr? Ein Fortschritt wäre doch, wenn Brad Pitt, der als bester Nebendarsteller ausgezeichnet, eine gute Rede zu Trump hielt, vielleicht in einem Umhang wie in seiner Rolle als Achill in „Troia“ auftreten würde. Auf den wären dann gar keine Namen gestickt, alle Oscars würden an weibliche Regisseure gehen – und die Männer, die wären einfach mitgemeint.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht