Stürmerin des US-Teams Megan Rapinoe: Captain America
US-Angreiferin Megan Rapinoe kommt über links, auch politisch. Sie kämpft gegen Rassismus, Polizeigewalt – und natürlich gegen Präsident Donald Trump.
Es ist nicht der Stil der Stürmerin mit dem lavendelfarbenen Haar, etwas zurückzunehmen. Rapinoe steht zu dem, was sie sagt. Etwa dass sie Donald Trump für einen Rassisten und Sexisten hält. Oder dass sie die Ungleichbehandlung von Fußballerinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen für einen himmelschreienden Skandal hält. Oder dass sie das amerikanische Strafrechtswesen für unmenschlich hält. Oder, oder, oder.
Megan Rapinoe hält nicht still, daran denkt sie gar nicht. Und schon gar nicht jetzt, da sie die vielleicht größtmögliche Bühne hat, die für eine Sportlerin denkbar ist. Superstar eines Turniers, auf das die ganze Welt schaut, in einem Ausmaß, wie es das in ihrem Sport bislang noch nie gab. Da wird „Pinoe“, wie sie von ihren Mannschafts-Kameradinnen liebevoll genannt wird, einen Teufel tun, den Mund zu halten.
Es ist eine einmalige Lage, in die sich Megan Rapinoe da geschossen hat, nicht zuletzt mit ihren zwei glanzvollen Toren im Viertelfinale gegen Frankreich. Wann hat es das schon einmal gegeben, dass nicht eine Randfigur, sondern ein Superstar im Augenblick ihrer größtmöglichen Medienpräsenz derart den Mund aufgemacht hat. „Captain America“, schrieb die Washington Post über ein Rapinoe-Foto, auf dem die Superheldin des US-Teams die Arme im Triumph ausstreckt.
Polit-Aktivistin im Fußballtrikot
John Carlos und Tommie Smith vielleicht, damals, 1968 bei den Spielen von Mexiko, als sie während der Siegerehrung die Faust zum Black-Power-Gruß in die Luft streckten. Oder LeBron James, der besonders in der Trump-Ära gerne und ständig den Mund aufmacht. Aber sonst? Man stelle sich vor, Paul Pogba hätte vorm WM-Endspiel die Pressekonferenz dazu benutzt, gegen die französische Einwanderungspolitik und den Alltagsrassismus in Frankreich zu protestieren.
Megan Rapinoe über Kaepernick
Rapinoes Karriere als Polit-Aktivistin im Fußballtrikot begann aus einer Laune heraus. Es war kein Plan oder eine bewusste Entscheidung, die Öffentlichkeit, die sie besitzt, dafür zu nutzen, für ihre Überzeugungen einzutreten. Rapinoe hatte mit Bewunderung und Mitgefühl Colin Kaepernicks stummen Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt verfolgt, während sie versuchte, nach einer Verletzung bei den Olympischen Spielen von 2016 wieder in ihre Saison bei den Seattle Reign hineinzufinden.
Als bekennende Lesbe, die sich durch das offene Bekenntnis zu ihrer Sexualität einige Feinde geschaffen hatte, konnte sie seinen Drang, zu seiner Überzeugung zu stehen, nur allzu gut nachvollziehen. So entschloss sie sich bei einem Heimspiel im September 2016 spontan, es Kaepernick gleichzutun: „Er schien so einsam da draußen. Ich fand es wichtig, ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist.“
Die heftige Reaktion auf ihre Aktion traf Rapinoe indes gänzlich unvorbereitet. Bei ihrem nächsten Liga-Spiel in Washington entschloss sich der Gastgeberverein Washington Spirit, die Hymne abzuspielen, während beide Mannschaften noch in der Kabine saßen, um einen erneuten öffentlichen Protest durch Rapinoe zu verhindern.
„Unglaubliche Kraft“ in der Stimme
Trotzdem entschied sie sich bei den nächsten zwei Spielen mit der Nationalelf erneut zu einem Kniefall. In den folgenden Monaten wurde sie daraufhin einfach nicht mehr aufgestellt. Die Begründung lautete, dass sie nach ihrer Knieverletzung noch nicht wieder ihr gewohntes Spielniveau erreicht habe. Erst nachdem der US-Verband eine klare Regel gegen das Knien eingeführt hatte, durfte Rapinoe wieder auflaufen.
In jener Zeit, so erinnert sie sich heute, hätten sich in ihrem Leben die Weichen neu gestellt. „Ich habe mich dazu entschlossen, zu meinen Überzeugungen zu stehen, auch wenn das bedeutet, einen hohen Preis zu bezahlen.“ Vorbild sei für sie dabei immer Kaepernick gewesen, der seine Karriere aufs Spiel gesetzt hatte, um für seine Rechte und seine Prinzipien einzutreten.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Rapinoes Zwillingsschwester Rachel glaubt unterdessen, dass Megans Unbeugsamkeit tiefere Wurzeln in ihrer Biografie hat. „Sie war sehr still und zurückgezogen als Teenager“, erinnert sie sich. Wohl auch, weil sie sich anders fühlte und Raum brauchte, um mit ihrer Homosexualität ins Reine zu kommen. „Aber als sie dann herausbekommen hatte, wer sie ist und warum sie so fühlte, wie sie fühlte, fand sie eine unglaubliche Kraft in ihrer Stimme.“
Megan Rapinoe bestätigt diese Einschätzung: „Es gehört alles zusammen. Ich möchte, dass man mich so respektiert, wie ich bin. Als Frau, als Lesbe, als Berufssportlerin, was auch immer.“ Und so wird sie sich von nichts und niemandem verbiegen lassen. Schon gar nicht von Donald Trump.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung