Studie zur Schmelze der Arktis: Warnsignal aus dem Norden
Das Meereis am Nordpol schmilzt in rasantem Tempo. Eine neue Studie warnt vor den Folgen für die gesamte Region – und über diese hinaus.
Die Studie begutachtete über fünf Jahre Forschungsergebnisse aus der Region rund um den Nordpol und sucht nach Möglichkeiten der Bewohner, sich an die Veränderungen anzupassen. Dabei konzentrierten sich die Forscher besonders auf Anzeichen für sogenannte „Regimewechsel“ – also für Entwicklungen, bei denen die Umwelt in einen neuen Zustand wechselt, der mindestens 100 Jahre nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Von 19 solcher möglicher „Kipppunkte“ im regionalen Öko-System der Arktis fanden die Forscher zumindest einige bereits überschritten: Im immer wärmeren Meer bei Spitzbergen etwa hat Seegras die Algen verdrängt, Seetangwälder weichen Seeigeln, die arktische Tundra voller Moos wandelt sich durch höhere Temperaturen und mehr Niederschlag zur Steppe voller Büsche. Weiter südlich verdrängen Laubbäume die Nadelbäume.
Bei den großen irreversiblen Veränderungen der eisigen Ökosysteme sieht der Bericht Anzeichen dafür, dass auch dort Kipppunkte erreicht sein könnten: So schmilzt das Meereis rund um den Nordpol im Sommer immer weiter; das mächtige Eisschild in Grönland verliert viel schneller an Masse als bislang gedacht, manche Fischbestände stehen regional vor dem Kollaps, wozu auch Krankheiten oder veränderte Meeresströmungen beitragen.
Mit besonderer Sorge sieht der Report, dass die Veränderungen in der Arktis auch über „Kaskadeneffekte“ weitere Folgen nach sich ziehen können. Auch auf den Rest der Welt könnte die radikale Umgestaltung in der „Wetterküche Arktis“ Auswirkungen haben, heißt es in dem Bericht: So könne beispielsweise der tropische Regenwald zur Savanne werden oder das Systems von Monsun-Regen geschwächt werden.
Dürre und Flut – die Klimakatastrophe
Der Bericht kommt zu einer Zeit, wo sich im Vergleich zum langjährigen Mittelwert an beiden Polen deutlich zu wenig Meereis gebildet hat. Die geringe Eisbedeckung im Südpolarmeer am Ende des südlichen Winters ist nach Meinung von Experten nur ein Ausreißer in der Statistik – das Meereis rund um die Antarktis ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Die geringe Ausdehnung des Packeises rund um den Nordpol allerdings passt in den Trend. Die Arktis leidet schon lange an eisiger Schwindsucht.
Sie macht auch noch Schlagzeilen mit Hitzerekorden. In diesem Herbst wurde klar, dass es in der Arktis an manchen Stellen etwa acht Grad wärmer als im Schnitt ist. Seit Beginn der wissenschaftlichen Messungen war nur im Jahr 2012 noch weniger Eis rund um den Nordpol auf dem Wasser. Die Fläche bedeckte im Oktober nur 6,1 Millionen Quadratkilometer, 20 mal so groß wie Deutschland.
Der Grund für das große Schmelzen im Norden: Weil das Meer in großen Teilen bereits im April und Mai auftaute, war das Wasser lange der Sonne ausgesetzt und nahm deshalb mehr Wärme auf. Deshalb friert es jetzt langsamer. Normalerweise reflektiert der weiße Schnee auf dem Eis die Sonnenstrahlung und verhindert so das Aufheizen des Wassers. Dieser „Albedo“-Effekt nimmt aber immer mehr ab, je weniger Eis sich bildet – ein klassischer Teufelskreis. Außerdem, so erklärt es das „Meereisportal“ des „Alfred Wegener Instituts für Polarforschung“ (AWI) in Bremerhaven, trieb in diesem Sommer eine besondere Wetterlage warme Luft von Skandinavien in Richtung Nordpol. Auch das hielt das Nordmeer vergleichsweise warm.
Die Veränderungen im Eis beeinflussen die Bildung von Hoch- und Tiefdruckgebieten, die wiederum bestimmen, ob warme oder kalte Luft nach Norden fließt. „Die Extreme dehnen sich aus“, sagt Marcel Nicolaus, Experte für Meereisphysik am AWI. Fast alle Klimamodelle zeigen, dass der Nordpol noch in diesem Jahrhundert im Sommer eisfrei sein werde. Das Gebiet zeige eine deutlich stärkere Erwärmung von vier bis fünf Grad Celsius – fünfmal soviel wie sich die globale Mitteltemperatur durch den Klimawandel erhöht hat. Für Nicolaus sendet deshalb „die Arktis ein Warnsignal“.
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