Studie zu Lohngerechtigkeit: Altersarmut programmiert
Mickrige Renten und Fachkräftemangel: Die Auswirkungen von Lohndumping sind gravierend, zeigt eine neue Studie der Gastro-Gewerkschaft NGG.
„Die Löhne in Deutschland müssen deutlich nach oben“, fordert NGG-Vorsitzender Guido Zeitler. Das Pestel-Institut, welches die Untersuchung im Auftrag der NGG durchführte, rechnete durch, welchen Effekte eine Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 12 Euro auf 14 Euro haben könnte. Die Zahl ist nicht willkürlich, sondern entspricht der EU-Richtlinie, dass der Mindestlohn 60 Prozent des Median-Lohns entsprechen soll.
Bei über zwei Drittel der Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor handelt es sich um Teilzeit oder um geringfügige Beschäftigung. Besonders in der Gastronomie und in der Lebensmittelbranche sind Niedriglöhne weit verbreitet. In Berlin waren im April 2022 rund 16 Prozent aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor beschäftigt.
Mehr als 1,3 Milliarden Euro Brutto würden derzeit 415.000 Beschäftigte in Berlin mehr verdienen, die derzeit einen Stundenlohn von unter 14 Euro haben. Das wäre nicht nur für die Arbeiter:innen ein Gewinn, sondern auch volkswirtschaftlich, argumentiert Zeitler: „Durch die höhere Einkommen erzeugen wir höhere Kaufkraft.“
Fachkräftemangel durch Dumpinglöhne
Armutsfest im Alter wäre selbst ein Stundenlohn von 14 Euro nicht. Dafür bräuchte es mindestens 16,50 Euro pro Stunde, rechnet die Studie vor. Die NGG fordert daher nicht nur eine Erhöhung des Mindestlohns, sondern vor allem deutlich mehr Tarifverträge.
Dumpinglöhne hingegen führen langfristig nicht nur zur Altersarmut, sondern verschärfen auch den Fachkräftemangel. „Wer ohne Tarif beschäftigt, verliert auf kurz oder lang seine Leute“, prophezeit Gewerkschafterin Claudia Tiedge. Neben der geringen Bezahlung sind es vor allem die harten Arbeitsbedingungen, wegen derer viele Fachkräfte der Branche den Rücken kehren.
Auch wird die Einhaltung des Mindestlohns kaum kontrolliert: Nur durchschnittlich alle 48 Jahre wird ein Betrieb in Berlin vom Zoll kontrolliert. Damit bildet die Hauptstadt bundesweit das Schlusslicht. „Eine Vorschrift ist am Ende nur so viel wert, wie sie am Ende auch geprüft wird“, sagt Studienautor Matthias Günther.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen