Studie zu Kindertagesstätten: Kita-Ausbau kostet mehr als geplant
Eine neue Studie zeigt, dass die Bundesregierung viel zu knapp kalkuliert hat. Jährlich müssten 15 Milliarden in den Ausbau der Kitas investiert werden.
3,5 Milliarden Euro hat die Koalition für den Ausbau der Kindertagesstätten, für bessere Betreuung und die Entlastung der Eltern von Gebühren in dieser Legislatur vorgesehen. Eine am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt nun: Allein für die qualitativen Verbesserungen müssten 8 Milliarden Euro jährlich investiert werden. Die von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) angestrebte Beitragsfreiheit würde den Staat weitere 7 Milliarden Euro kosten.
Stefan Sell, Direktor des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung an der Hochschule Koblenz, hält die Zahlen für realistisch. „Die entscheidende Frage ist, wie es gelingen soll, die Kitas quantitativ und qualitativ auszubauen und dazu noch die Ausfälle durch die Beitragsfreiheit zu kompensieren“, sagt Sell der taz. Die Studie erfasse nämlich allein die finanziellen Herausforderungen, andere Schwierigkeiten, wie zum Beispiel den Personalmangel, dagegen nicht.
Und der ist derzeit akut: Am Samstag gingen deshalb ca. 3.000 Menschen in Berlin auf die Straße. Hier können derzeit Tausende Kitaplätze nicht besetzt werden, weil Erzieher*innen fehlen.
Im Bundesfamilienministerium ist man dagegen optimistisch: „3,5 Milliarden sind eine gute Grundlage für den Qualitätsausbau“, heißt es in einer Stellungnahme von Ministerin Franziska Giffey auf Anfrage der taz. Zudem solle es parallel zum „Gute-Kita-Gesetz“ eine Fachkräfteoffensive des Bundes geben.
Giffey hatte im April ein Kita-Qualitätsgesetz („Gute-Kita-Gesetz“) angekündigt, das einerseits dafür sorgen soll, dass ein*e Erzieher*in weniger Kinder als bisher betreuen muss, und das andererseits die Gebühren senken soll. Denn: „Das Einkommen der Eltern darf nicht darüber entscheiden, ob und wann Kinder in eine Kindertageseinrichtung gehen“, so Giffey.
Starke Belastung für Geringverdiener*innen
Im Moment, das zeigt die Studie, sind Geringverdiener*innen durch Kita-Beiträge trotz Sozialstaffelungen finanziell stärker belastet. Im Durchschnitt zahlen sie rund 10 Prozent ihres Einkommens für den Kitabesuch des Nachwuchs. Eltern, die besser verdienen, müssen im Mittel nur 5 Prozent ihres Einkommens für Kitabetreuung ausgeben.
Regional gibt es ebenfalls große Unterschiede: Während in Berlin im Schnitt nur 2 Prozent des Einkommens für den Kitabesuch ausgegeben werden, sind es in Mecklenburg-Vorpommern über 8 Prozent.
Eine Umfrage unter 6.000 Eltern, zeigt zudem, dass die Mehrheit von ihnen bereit wäre, für eine bessere Qualität der Kitas auch höhere Beiträge zu zahlen.
Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, warnt angesichts der Studie vor vorschnellen Beitragssenkungen. Oberste Priorität müsse derzeit sein, die Kita-Qualität zu steigern: „Bundesweit fehlen Erzieherinnen und Erzieher, und die Betreuungsschlüssel stimmen in vielen Kitas nicht. Jetzt alle Eltern zu entlasten würde den politischen Handlungsspielraum für den Qualitätsausbau unnötig verengen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel