Kommentar Kitagebühren: Alles für die Kinder, und zwar umsonst
Über der Kita-Debatte schwebt eine Entweder-oder-Frage: mehr ErzieherInnen oder keine Gebühren? Die Frage ist falsch – beides muss her.
W as hätten Sie lieber: mehr Erzieher*innen für die Kitas oder keine Kitagebühren? Diese Entweder-oder-Frage schwebt derzeit über der Diskussion um Qualität und Ausbau von Kitas. Es wird suggeriert, dass beides zusammenhängt: Wer gebührenfreie Kitas will, muss hinnehmen, dass Kinder in 20er-Trupps betreut werden. Nur wer für Gebühren ist, kann auch Qualität einfordern. Beides zusammen ist teuer, wie auch die aktuelle Bertelsmann-Studie zeigt. Aber: Die Frage ist falsch.
Richtig ist: Bessere Qualität und Gebührenfreiheit sind zwei politische Ziele, die derzeit parallel angegangen werden. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat für dieses Jahr ein Qualitätsgesetz angekündigt, das etwa festlegt, welcher Betreuungsschlüssel nicht unterschritten werden darf. Gleichzeitig schaffen Länder wie Berlin Kitagebühren ab, und das obwohl sich über 80 Prozent der Eltern vorstellen können, für mehr Personal und bessere Ausstattung zu zahlen.
Wenn dann, wie am Wochenende Tausende Eltern in der Hauptstadt auf die Straße gehen und genau das fordern, dann liegt es nahe zu sagen: Die Politik soll die Gebühren wieder einführen, dann geht’s den Kleinen besser. Und gerecht ist es auch – denn von der Beitragsfreiheit profitieren Arme eh nicht. Doch weil die Schulen bröckeln und Unterricht ausfällt, kommt ja auch niemand auf die Idee, unter dem Deckmantel der Umverteilung ein Schulgeld für alle zu fordern, die es sich leisten können.
Eine berechtigte Forderung ist die nach kostenlosem Zugang zu Bildung für alle. Kitas sind inzwischen Teil der Bildungskette, auch in den alten Bundesländern. In den neuen Ländern wurden sie schon zu DDR-Zeiten so behandelt. Ebenfalls berechtigt ist die Forderung nach Umverteilung von reich nach arm. Die lässt sich effektiver über ein Steuersystem organisieren, das Vermögende stärker zur Kasse bittet, als über eine Beitragstabelle in der Kita. Daher ist es Unsinn, hier einen Gegensatz zu konstruieren. Beides muss her: keine Gebühren und mehr ErzieherInnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner