Studie zu Führungskräften: Bremen setzt auf Männer
In öffentlichen Bremer Unternehmen gingen im letzten Jahr 14 von 16 offene Spitzenpositionen an Männer. Das ist schon zum zweiten Jahr in Folge so.

Zwischen April 2024 und April 2025 wurden demnach nur 12,5 Prozent der Spitzenpositionen in öffentlichen Unternehmen im Land mit Frauen besetzt. In ganzen Zahlen ausgedrückt: Es gab in diesem Zeitraum 16 offene Stellen im Top-Management. Nur bei zweien davon hat man einer Frau vertraut. Nur das Saarland hatte noch schlechtere Werte.
Als öffentliche Unternehmen gelten dabei Unternehmen, die zwar grundsätzlich privatwirtschaftlich agieren, bei denen aber entweder das Land oder eine der beiden Städte Bremen und Bremerhaven mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Dazu gehören in Bremen etwa die Wohnungsbauunternehmen Brebau und Gewoba, die Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord, die Bremer Bäder oder auch eine Fährgesellschaft. Die Unternehmen agieren privatwirtschaftlich, Bremen hat aber einen Einfluss.
Erhebungen des Landes selbst können die Erkenntnisse der Studie schon deshalb nicht bestätigen oder erklären, weil der letzte Beteiligungsbericht der Stadt für das Jahr 2023 erschienen ist. Ein Trend hin zu weniger Frauen in den Führungsetagen lässt sich dort ebenfalls nicht ableiten. Im Gegenteil: Zwischen 2020 und 2023 ist demnach der Frauenanteil bei den Geschäftsführungen von 22,4 auf 33,3 Prozent gestiegen. Die Fit-Studie zählte 2023 noch 31,1 Prozent. Die Zahlen sind nicht ganz vergleichbar, weil Bremerhaven im Beteiligungsbericht Bremens nicht berücksichtigt wird – wohl aber in der Fit-Studie.
Die Werte waren also immer weit von einer Parität entfernt, aber im Ländervergleich stand Bremen – laut Fit-Studie – damals doch überdurchschnittlich gut da: Der Durchschnitt aller untersuchten 69 Städte lag damals bei 21,5 Prozent. Noch für den Untersuchungszeitraum bis zum April 2023 konstatierte die Studie auch für die Neubesetzungen eine Spitzenposition für Bremen: Mit damals 38 Prozent war die Stadt noch direkt hinter Hamburg und Berlin ganz vorn dabei.
Ein einmaliger Ausrutscher ist die aktuell extrem männerlastige Besetzung nicht: Schon bei den Ergebnissen der Studie im vergangenen Jahr (für den Zeitraum April 2023 bis April 2024) gehörte Bremen zu den Schlusslichtern.
Was zu der dramatischen Entwicklung geführt haben könnte, bleibt vorerst im Dunkeln. Dank der beiden schlechten Besetzungsjahre ist der Gesamtanteil an Chefinnen in öffentlichen Unternehmen seit 2023 auf 26 Prozent gefallen.
Die Zahl erstaunt auch deshalb, weil sie so unnötig erscheint. Bremen hat schon 2002 ein Gender-Mainstreaming-Konzept verankert, um die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Der Auftrag des Konzepts: die Geschlechterperspektive systematisch bei allen Planungs- und Entscheidungsprozessen berücksichtigen. Bei Stellenbesetzungen hatte das aber offenbar bisher keine Auswirkungen.
Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Stellenbesetzung in öffentlichen Unternehmen gendergerechter zu gestalten. Einen gesetzlichen Rahmen hat Bremen bisher nicht geschaffen.
Eine Möglichkeit der rechtlichen Verankerung hat der Bund im Jahr 2008 gezeigt: Für seine eigenen Gesellschaften hat der damals im GmbH-Gesetz bestimmt, dass bei mehr als zwei Geschäftsführenden mindestens eine der Leitungsstellen mit einer Frau und eine mit einem Mann besetzt werden muss. Viele Länder haben diese oder ähnlich wirkende Regelungen für ihre eigenen Gesellschaften übernommen; Bremen gehört zu den wenigen, die das nicht getan haben.
Zumindest eine entsprechende Regelung im Public-Corporate-Governance-Kodex wünscht sich die Landesfrauenbeauftragte. Der ist zwar nicht verbindlich, verpflichtet aber die Beteiligten zumindest, sich zu erklären, wenn Regeln nicht eingehalten werden.
Immerhin: Laut Finanzbehörde hat Bremen eine solche Vorgabe 2023 eingeführt. Seitdem heißt es im Handbuch Beteiligungsmanagement: „Bei der Besetzung oder Nachbesetzung von Geschäftsführungen oder Vorständen, die aus mehr als einer Person bestehen, ist grundsätzlich auf eine geschlechter- bzw. genderparitätische Besetzung hinzuwirken.“ Sollte die Auswahlsituation keine Besetzung mit dem unterrepräsentierten Geschlecht hergeben, so „ist dies zu begründen und, z. B. über den Nachweis gezielter Ansprachen, zu belegen“.
Handlungskodex nicht bekannt
Im Büro der Gleichstellungsbeauftragten glaubt man grundsätzlich, dass solche weichen Regelungen Erfolg haben können – für Aufsichtsräte gibt es solche Vorgaben schon länger, mit gewissem Erfolg: Immerhin 39 Prozent der Aufsichtsrätinnen in Gesellschaften mit Bremer Beteiligung sind weiblich, bei direkter Besetzung durch den Senat sind es 49 Prozent.
Doch für die neue Besetzungsregelung scheint diese Erfahrung bisher nicht zu gelten – schließlich sind es ausgerechnet die beiden Jahre seit 2023, in denen das Missverhältnis besonders deutlich war. Eine Erklärung dafür gibt es bislang noch nicht.
Bei den Studienautor*innen – und auch im Büro der Gleichstellungsbeauftragten – ist der Handlungskodex aus dem Handbuch Beteiligungsmanagement offenbar nicht bekannt. Zumindest fordert die Gleichstellungsbeauftragte bisher noch eine entsprechende Regelung; und die Studie vermeldet in einer tabellarischen Zusammenstellung, es gebe in „Bremen, Magdeburg, Potsdam, Sachsen, Stuttgart, Schwerin“ keine direkte Regelung hierzu.
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