piwik no script img

Studie zu Bezeichnungen für MigrantenFlüchtlinge sind unerwünschter

Macht es einen Unterschied für die Einstellungen gegenüber Migrant:innen, mit welchen Begriffen sie bezeichnet werden? Eine Studie hat das untersucht.

Migranten bei ihrer Ankunft in Spanien. Der Begriff ist positiver besetzt als Flüchtlinge Foto: Joan Mateu Parra/ap

Laut dem UNHCR, dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, waren Ende 2022 weltweit 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht. In dieser Zahl stecken Geflüchtete, Binnenvertriebene, Asylsuchende und andere Personen, die internationalen Schutz benötigen. Menschen, die aus freiwilliger Entscheidung in einen anderen Staat migrieren, sind nicht mit eingerechnet, da es keine klare Definition für Mi­gran­t:in­nen gibt.

Geflüchtete haben bereits einen Flüchtlingsstatus erhalten, der ihnen völkerrechtlichen Schutz garantiert, während Asylsuchende keinen rechtlich definierten Status im Zielland haben. Trotz der unterschiedlichen Definitionen für zugewanderte Menschen werden im öffentlichen Diskurs verschiedene Bezeichnungen abwechselnd, mitunter willkürlich verwendet. Aber welchen Unterschied machen diese Wörter genau?

Die Studie

In der Sozialpsychologie gibt es bereits Studien dazu, wie sich Sprache auf die Wahrnehmung von Gruppen auswirkt. Doch um vergleichbare Ergebnisse in verschiedenen Ländern zu haben, untersuchte nun eine Studie unter der Leitung der Universität Bern in neun Ländern – Australien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Italien, Portugal, Schweden, Schweiz und Vereinigtes Königreich –, wie sich Bezeichnungen für Zugewanderte auf die Einstellungen gegenüber diesen Menschen auswirken.

Erst analysierten sie den öffentlichen Diskurs in den neun Ländern, um herauszufinden, welche Wörter für Einwanderer verwendet werden. Dann wurden einige hundert Teilnehmende pro Land zufällig einer von drei Gruppen zugeordnet und zu ihren Einstellungen gegenüber Zugewanderten befragt. Dabei benutzten die For­sche­r:in­nen in einer Gruppe den Begriff von „Migranten“, in einer anderen „Flüchtlinge“ und einmal „Asylbewerber“.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die Teilnehmenden, die zu „Migranten“ befragt wurden, hatten positivere Einstellungen gegenüber Einwanderern ausgesprochen als die Teilnehmenden mit den Begriffen „Flüchtlinge“ und „Asylbewerber“. Sie empfanden, dass „Migranten“ mehr Vorteile für das Land bringen, da sie „die Wirtschaft ihres Landes wettbewerbsfähiger gemacht haben“, „die Kultur ihres Landes mit anderen Traditionen bereichert“ und „das globale positive Image ihres Landes verbessern“.

Allen drei Gruppen war es wichtiger, Menschen aufzunehmen, die vor Krieg und Verfolgung eingewandert sind als aus wirtschaftlichen Gründen. Trotzdem rief der allgemein gehaltene Begriff die positivste Konnotation hervor.

Was bringt’s?

Die Bezeichnung von Mi­gran­t:in­nen in den Zielländern hat demnach einen Einfluss darauf, wie willkommen sie dort sind. Wenn politische Kommunikation die Vorteile von Migration betont, wirkt sich das möglicherweise positiv auf die Zustimmung aus. Der Haken daran: Politiker*innen, die diese Empfehlung gerade­ nicht beachten, tun das zum Teil mit Vorsatz. Jean Dumler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Gerne bin ich fast überall Ausländer. Obwohl ich seit 2017 "naturalisierter " Franzose bin, bleibe ich auch in Frankreich irgendwie immer Ausländer.



    Trotzdem habe ich nicht den "Makel" des Migranten, Flüchtling, Asylbewerber, etc.



    Ich hab das Privileg, weiss zu sein, usw.



    Die Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber haben dieses "Privileg" nicht, besonders wenn es Schwarze oder Araber sind.



    It's a shame...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Wenn Sie "naturalisierter Franzose" sind, dann sind Sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch "Migrant", weil nicht in Frankreich geboren.



      So geht es mir auch: in der Bundesrepublik Deutschland geboren, lebe ich nach dem Studium mittlerweile in einem anderen Land - bin also Migrant/Zugewanderter. Ich bin aber nie Flüchtling oder Asylbewerber gewesen. Das dürfte auch der Grund sein, warum der Begriff "Migrant" positiv(er) besetzt ist - er schließt halt auch den Studenten oder den Expat ein, den Professor, der einen Ruf an eine ausländische Universität erhalten hat, oder die international bekannte Opernsängerin.

  • Der Begriff "Migranten" umfasst sehr viel mehr Menschen. Zu den Migranten gehören auch die Gastarbeiter der ersten Generation, die seit vielen Jahrzehnten hier leben, wie auch z.B. hochqualifizierte Arbeitsmigranten etwa aus der EU. Die Geflüchteten und die Asylsuchenden sind nur eine relativ kleine Teilgruppe aller Migranten.



    Diese Studie scheint mir untauglich dafür, zu beweisen, dass die Bezeichnungen zu Diskriminierungen führen. Eher dürfte es so sein, dass gesellschaftliche Diskriminierungen von Gruppen von Menschen dazu führen, dass die für diese Gruppen verwendeten Bezeichnungen negativ konnotiert werden. Da hilft es wenig, die Bezeichnungen auszutauschen. Solange die Diskriminierungen weiter bestehen, werden über kurz oder lang auch die neuen Bezeichnungen mit negativen Bewertungen und Gefühlen verbunden werden.

    • @vulkansturm:

      "Zu den Migranten gehören auch die Gastarbeiter der ersten Generation, die seit vielen Jahrzehnten hier leben, wie auch z.B. hochqualifizierte Arbeitsmigranten etwa aus der EU."

      Es ging da nicht um Lexikondefinitionen, es geht um Bauchgefühle.

      Niemand zündet wegen einer Lexikondefinition Häuser an.