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Studie von GreenpeaceKlimaziel 2020 doch noch machbar

Alle Kohlekraftwerke abschalten? Laut Greenpeace-Studie kein Problem. Dann könnte Deutschland auch sein Klimaziel 2020 erreichen.

Segeln mit Blick auf das Kohlekraftwerk Boxberg – noch sind sie aktiv Foto: dpa

Der Titel klingt selbst für Insider verheißungsvoll: „Wie Deutschland sein Klimaziel 2020 noch erreichen kann.“ Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel hat die Studie im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace erstellt. Leider haben die Autoren der Studie aber dann nur den einfachsten aller denkbaren Wege gewählt: Sie beschränkten sich auf die Stromwirtschaft. Die Sektoren Gebäudewärme, Industrie und Verkehr seien „noch nicht in der Modellierung berücksichtigt“ worden, heißt es in der Publikation etwas verschämt.

„Wir wollen umsetzen, was am schnellsten geht“, erklärt dazu Anike Peters, Energie­expertin von Greenpeace. Der oft geäußerten Kritik, dass die deutsche Energiewende bisher lediglich eine Stromwende ist, hat somit auch diese Studie nichts entgegenzusetzen. In der Stromwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren immerhin ein wenig getan. Alleine 2017 sanken die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während der Verkehr und die Industrie nicht nur keinen Fortschritt brachten, sondern jeweils sogar 2 bis 3 Prozent mehr Treibhausgase erzeugten.

Das Greenpeace-Papier lotet nun weitere Optionen für den deutschen Strommarkt aus. Und rechnet vor, wie sich die Emissionen durch die Abschaltung von Braunkohlekraftwerken erheblich senken ließen. Die IEE-Wissenschaftler benennen Namen und Standorte der Blöcke, die dafür bis 2020 stillgelegt werden könnten. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Netzstabilität jederzeit gewährleistet ist, heißt es.

Bereits beschlossen ist die Überführung von acht Blöcken mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt in die Sicherheitsbereitschaft – sie können dann nur für Extremsituationen wieder aktiviert werden.

Abschalten der Kohlekraftwerke problemlos möglich

Zusätzlich könnten je nach Szenario Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 6,1 beziehungsweise 7,4 Gigawatt stillgelegt werden, rechneten die Forscher aus. Die Spanne ist vom weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien abhängig. Angesetzt werden für die Windkraft im Jahr 2020 auf Land und See zusammen zwischen 147 und 155 Milliarden Kilowattstunden an Erzeugung, gegenüber 107 Milliarden im Jahr 2017. Die Photovoltaik würde von zuletzt 40 auf 47 bis 50 Milliarden jährlich zulegen.

Dass das Abschalten der Kohlekraftwerke laut Studie ohne Probleme möglich ist, liegt auch an den hohen Stromexport-Überschüssen Deutschlands. In den letzten drei Jahren lagen diese jeweils bei zwischen 50 und 55 Mil­liar­den Kilowattstunden – rechnerisch ein Drittel der Stromerzeugung aus Braunkohle. „Eine sinnvolle politische Leitlinie“ ­sehen die Wissenschaftler darin, dass Deutschland eine ausgeglichene Import-Export-Bilanz beim Strom anstrebt.

Dass der Strom, den Deutschland nach diesem Szenario nicht mehr exportiert, künftig in den Importländern selbst erzeugt werden müsste, räumt auch Greenpeace ein. Allerdings: In den meisten Ländern gebe keine so klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke wie in Deutschland.

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17 Kommentare

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  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    In etwas mehr als einem Jahr?

    Das ist, als wolle man einen Öltanker aus voller Fahrt mal eben in 5 Sekunden wenden lassen.

  • Die deutsche Regierung hat kein Interesse irgend welche Innovationen zur CO2 Reduktion zu zulassen, eher wird alles abgeblockt, was auf Kommunaler oder Privater Ebene machbar wäre!

    Eine Siedlung mit circa 22 Häusern, Planung noch nicht 100% abgeschlossen, könnten auch 27 Häuser werden, wollte ein Blockheizkraftwerk mit Fernwärmeversorgung bauen, bekam aber keine Zulassung und Baugenehmigung, denn diese Anlage wäre nicht Rentabel entgegnete der Landkreis, obwohl im Nachbarkreis bereits eine baugleiche Anlage seit 7 Jahren ihren Störungsfreien Dienst tut!

    Später stellte sich heraus, das der Netzbetreiber E_ON sich dagegen aussprach!

    Es sieht doch mit der Energiewende in unserem Land so aus. Wenn es der Wirtschaft, der Industrie und den Banken nicht genehm ist, wird nichts passieren, welches die Gewinne der Drei Hauptlobbyisten in irgend einer Weise schmälern könnte!

    Diese Lobbyisten sorgen durch ihren Einfluss sehr deutlich dafür, dass es in diesem Land nicht weiter geht!

    Dies bezieht sich nicht nur auf die Energiewende, sondern auch auf die Digitalisierung und den dafür benötigten Netzausbau!



    In unserem Gebiet werden zur Zeit Glasfaserkabel verlegt, trotz allem bietet die Telekom auch für die nächsten Jahre nur ihr Vectoring auf Basis ihrer Kupferkabel an, womit die Geschwindigkeit auf 100MBite beschränkt bleibt.



    Des Weiteren hat die Telekom in unserem Bereich eine Monopolstellung, wenn es um TV over IP geht, so dass es fast unmöglich ist sich von der Telekom gänzlich zu verabschieden!

    Viele Dinge, die in unserem Land machbar wären, so wie die Klimaziele 2020 zu erreichen, werden von Politikern, welche der Wirtschaft, der Industrie und der Banken unterwürfig sind, behindert oder unmöglich gemacht!

    Selbst die Aussagen von Wirtschafts und Energieminister Altmeyer sind nur Floskeln, denn er hat wenig Einfluss auf den Ablauf der Widersprüche von Anwohnern und Landbesitzern im geplanten Streckenverlauf für den Netzausbau und das weis er ganz genau!



    !!

  • Wir können die Ziele erreichen: Tempolimit auf der Autobahn, Benzinpreis verdoppeln (Geld in die Aufforstung), Kerosin versteuern, Finanztransaktionssteuer.



    Das Abschalten von Kohlekraftwerken verschiebt das Problem in eine unvorhersehbare Richtung.

    • @Energiefuchs:

      Und die Leute davon abhalten, von CO2-armen Diesel auf Benziner umzusteigen.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Klartext:

        Oder vielleicht gleich auf Elektro-und Wasserstoffmotoren umsteigen. Den ÖPNV massiv ausbauen und funktionstüchtig machen und wie vorgesehen zum Nulltarif. Verkehrssichere Fahrradwege bauen.



        Und last but not least die Massentierhaltung abschaffen.



        Denn der freie Markt mit seinen Selbstheilungskräften schafft das nicht: Den CO2 Ausstoss zu reduzieren, die Luft, Gewässer und Böden sauber zu halten und alle Menschen gesund mit wohlschmeckender Qualitätsnahrung zu ernähren, denn ein Hartz IVler hat das gleiche Recht auf gesunde Nahrung wie ein Bionade Bourgeois.

        • @82236 (Profil gelöscht):

          "…denn ein Hartz IVler hat das gleiche Recht auf gesunde Nahrung wie ein Bionade Bourgeois."

          Theoretisch schon.

      • @Klartext:

        Das ist unerheblich. Die Menge der gesamten gefahrenen Kilometer muss sinken. Geht zurzeit nur über den Preis.

  • Windstrom lässt sich nicht speichern und muss zwangsabgeleitet werden. Aber wenn es Flaute ist und Kohlenkraftwerke schon abgerissen sind, dann gute Nacht, Bunte Republik ☺

    • @Valery Pokrowski:

      Eine Alternative wären Gas-Turbinen-Kraftwerke, die relativ schnell angeworfen werden können, wenn kein Lüftchen mehr weht.



      Trotzdem kommt man nicht drumherum, "Grünen Strom" aus den AKWs Frankreichs zu kaufen.

  • Ich behaupte, es gibt viele (!) Möglichkeiten, das deutsche Klimaziel für 2020 noch einzuhalten, wenn wir wirklich wollten.

    Dafür braucht es



    - den Willen der Bevölkerung



    - den Willen der Regierung



    - den Willen von Unternehmen und Medien.

    Momentan sieht es so aus, als wenn dieser Wille bei keiner der Gruppen vorhanden ist.

    • @shashikant:

      Leider kann auch der kombinierte Wille von Bevölkerung, Unternehmen und Regierung nicht die Gesetze der Physik ausser Kraft setzen. Was passiert wenn keine Sonne scheint (soll ja regelmässig vorkomment), kein Wind weht? Wasserkraft macht nur 4% der Stromerzeugung aus und wird heute zudem dafür verwendete Windenergie zu regulieren (d.h. ein Teil der Wasserkraft wird verschendet).



      Insgesamt gesehen sollte Greenpeace sich mal Leute suchen die vom Thema wirklich was verstehen.

    • @shashikant:

      Durch die Zuwanderung 2015 wurde sehr viel durcheinandergewirbelt. Viel Konsens der Bevölkerung wurde wieder zunichte gemacht. Das kleine Konjunkturfeuer erweckt den Eindruck, wir können immer so weiter machen, immer so weiter, immer mehr......

  • Der Ausbau von Wind- und Solarenergie ist in der Studie nur deshalb mit zwei Varianten gerechnet worden, weil die Bundesregierung für die Sonderausschreibungen, mit denen laut von der SPD-Basis abgesegnetem Koalitionsvertrag je 4 GW Wind und Solar bis Anfang 2020 zugebaut werden sollen, bislang noch nicht einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, geschweige denn, dass dieser Gesetzeskraft erlangt hätte, die Ausschreibungen angekündigt und durchgeführt wären, womit die privaten Investoren dann erst richtig loslegen könnten.

    Daher ist derzeit noch ungewiß, ob diese Anlagen "acht bis zehn Millionen Tonnen



    CO2 zum Klimaschutzziel 2020 beitragen" werden, und ob diese Entlastung "je zur Hälfte wirksam in 2019 und 2020" werden kann.

    Das kann man zwar mit 1,3 Gigawatt weniger Braunkohle in Deuthscland ausgleichen, aber um den Preis, dass dann mehr Erdgas aus Russland importiert werden müsste. Insoweit lautet die Alternative also "mehr Solar oder mehr Rußlandgas".