Studie über Facebook: Die Neidspirale
Facebook macht neidisch auf das vermeintlich schöne Leben von anderen, sagt eine Studie. Was Abhilfe schafft? Mut zu einer „Loser“-Kampagne!
BERLIN taz | Man ahnt es schon lange: Facebook kann neidisch, depressiv und unzufrieden machen. Das hat jetzt die Humboldt-Universität zu Berlin in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Anstrengung mit der Technischen Universität Darmstadt herausgefunden. 600 Facebook-NutzerInnen mussten herhalten und wurden nach ihren Gefühlen gefragt, während sie in dem sozialen Netzwerk herumsurften und in der Zeit danach.
Das Ergebnis: Über ein Drittel der Befragten empfand vornehmlich negative Gefühle wie Frustration. Als wesentlichen Grund dafür machten die ForscherInnen „Neid“ auf die „Facebook-Freunde“ aus. Die vielen Postings der andern über Partys, Urlaubsreisen, Bandauftritte, Buchveröffentlichungen und Babys in Wort und Bild schlagen offenbar aufs Gemüt. Der soziale Vergleich, der zu Neid führt, werde begünstigt durch den Zugang zu vielen positiven Nachrichten und Profilen, die man im Offline-Bereich in dieser Menge gar nicht zu sehen bekomme, erklärte die Projektleiterin Hanna Krasnova.
Vor allem wer in sozialen Netzwerken selbst kaum aktiv kommuniziert, sondern sich das tolle Leben der anderen eher passiv reinzieht, wird von schmerzvollen Emotionen gepeinigt, stellten die ForscherInnen fest. Der Neid führt dann häufig dazu, dass die oder der Geplagte auch zu einer „ausgeprägteren Selbstpräsentation“ greift und seinerseits mit weltläufigen Kommentaren und schönen Bildern auftrumpft – was umgehend eine „Neidspirale“ auf Facebook in Gang setze.
Neid ist eine universelle Emotion
Nicht ganz überraschend gibt es einen Zusammenhang zwischen Neid auf Facebook und der allgemeinen Lebenszufriedenheit der Nutzer. Die Zufriedenheit nämlich sinkt, wenn man auf Facebook eifersüchtig ist auf die Erfolge der anderen. „Angesichts der weltweiten Nutzung von Facebook und der Tatsache, dass Neid eine universelle Emotion ist, sind sehr viele Menschen von diesen Auswirkungen betroffen“, verkündete Koautorin Helena Wenninger von der TU Darmstadt.
Dabei könnte es Abhilfe geben. Plädieren wir für eine „Loser“-Kampagne, denn nur daraus erwächst Kreativität. Verboten auf Facebook sind ab sofort Fotos von lachenden jungen Gesichtern und Urlaubsbilder aus sonnenreichen Gegenden. Desgleichen Gruppenbilder in Partylaune und Tierfotos. Alle Kommentare mit positiver Verstärkung sind degoutant, also Formulierungen wie „Super! Süß! Weiter so!“, „Ich bin stolz auf Dich!“ und natürlich auch „Gute Reise!“
Das Depri-Foto der Woche
Im wöchentlichen Intervall muss das deprimierendste Foto der Woche gepostet werden, hierfür vergibt die Freundesgemeinde einen Preis und hierfür und nur hierfür ist das Wort „Gratulation!“ in den Kommentaren erlaubt. Um das Depri-Foto der Woche auszuwählen, reicht es übrigens nicht aus, umweltzerstörte Landschaften oder gequälte Tiere abzubilden, um sich damit subtil doch wieder als toller Politaktivist zu präsentieren.
Es muss sich um den Mut zu einer unvorteilhaften Nachricht handeln, sei es das Faksimile einer Absage-Mail, ein Porträt mit Unterlicht oder das Gruppenbild von einer heißen Party, auf die man leider nicht eingeladen war (und nur in diesem Zusammenhang sind Gruppenbilder mit lachenden Menschen noch erlaubt, siehe oben).
Die „Loser“-Kampage sollte sich auch in den Profilen niederschlagen. Arbeitgeber und erfolgreich abgeschlossene Projekte interessieren nicht. Die Anti-Neid-AktivistInnen auf Facebook überzeugen mit Postings über erfolglose Diäten, zerbrochene Freundschaften und Bildern von Türstehern, an denen man scheiterte. Das erfordert natürlich Mut. Und den hat nicht jeder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen