Studie der Bertelsmann-Stiftung: Asylverfahren behindern Integration
Lange Verfahren erschweren Flüchtlingen den Jobeinstieg, sagt eine Studie. Deutschland hat EU-weit den größten Bearbeitungsstau: mehr als 7 Monate.
GÜTERSLOH afp | Die langen Asylverfahren in Deutschland erschweren Flüchtlingen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am Dienstag in Gütersloh veröffentlicht wurde. Die Bundesregierung habe die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot für Asylbewerber zwar auf drei Monate verkürzt. Dennoch bleibe Asylbewerbern, von denen immerhin zwei Drittel im erwerbsfähigen Alter seien, in der Regel der Weg in einen Job wegen der langen Wartezeit auf eine Genehmigung versperrt.
„Zu hoch ist die Unsicherheit für Arbeitgeber, zu unsicher die Perspektive für den einzelnen Flüchtling“, heißt es in der Studie. In keinem anderen EU-Land ist der Bearbeitungsstau von Asylanträgen derart groß wie in Deutschland. Ende 2014 warteten laut der Studie 221.195 Flüchtlinge auf eine endgültige Entscheidung über ihren Asylantrag. Mit steigender Tendenz: Bis Ende Februar dieses Jahres stieg die Zahl nach Angaben von Eurostat demnach auf 243.820.
Der Studie zufolge lag die Bearbeitungsdauer eines Asylantrags im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 7,1 Monaten. Für Flüchtlinge aus manchen Herkunftsländern war die Wartezeit allerdings noch deutlich länger – für Asylbewerber aus Afghanistan durchschnittlich 16,5 Monate, für Asylbewerber aus Pakistan sogar 17,6 Monate.
Die Mehrheit der Deutschen ist dafür, Asylbewerbern einen raschen Einstieg in einen Job zu ermöglichen. In einer TNS Emnid-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung gaben 84 Prozent der Befragten an, der Staat solle dafür sorgen, dass Flüchtlinge schneller in Arbeit kommen. Ob Deutschland mehr Flüchtlinge als heute aufnehmen soll, sehen die Deutschen hingegen zwiespältig. 40 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, die Belastungsgrenze sei bereits erreicht. 51 Prozent sagen hingegen, Deutschland könne und solle aus humanitären Gründen mehr Flüchtlinge als bisher aufnehmen.
Damit Flüchtlinge in Deutschland rascher einen Job finden, empfiehlt die Studie vor allem eine Auflösung des Bearbeitungsstaus. Dafür sei mehr Personal nötig, aber auch mehr Qualität in den Entscheidungsverfahren. 13 Prozent aller Bescheide wurden 2013 von Gerichten korrigiert. Bereits während der Wartezeit auf eine Entscheidung sollen Asylbewerber außerdem beginnen, Deutsch zu lernen. Möglich ist dies bislang nur in fünf Bundesländern. TNS Emnid befragte im Januar 2.024 Menschen ab 14 Jahren.
Leser*innenkommentare
Celsus
Integration setzen jetzt gleich viele mit der wirtschaftlichen Ausschlachtbarkeit der Asylanten und Flüchtlinge gleich. Die Integration hat aber auch Zwecke, die schlicht dem Wohlergehen der Betroffenen selber und der aufnehmenden Bevölkerung dienen sollen.
Und ja: Es gibt nicht nur Menschenrechtsverletzugnen in anderen Ländern. Es gibt doch wahrhaftig auch echte Flüchtlinge und Asylanten in Massen.
Auf Flüchtlinge und Asylanten den Maßstab der FAZ der Nützlichkeit von bewusst angeworbenen Einwanderern anzulegen, die "nur" Wirtschaftflüchtlinge sind, greift wahrhaftig zu kurz. Das sollte jeder kluge Kopf kapieren.
Gerald Müller
Aus der FAZ vom 03.11.2013:
"Das größte Problem der Flüchtlinge sind aber weder deutsche Gesetze noch unersättliche Sachbearbeiter. Es ist ihre mangelhafte Qualifikation. Samadi ist die große Ausnahme. Eine interne Auswertung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ergab, dass knapp jeder dritte Asylbewerber nach eigenen Angaben nur die Grundschule besucht hat, weitere 15 Prozent gingen nie zur Schule. „Viele kennen nicht mal eine Zahnbürste“, berichtet eine Sozialpädagogin, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung arbeitet. Kombiniert mit mangelhaften Deutschkenntnissen, führt das in eine berufliche Sackgasse, aus der wenige herauskommen."