Strukturkommission der CDU: Das Quoten-Erdbeben
Bis 2025 soll die Frauenquote in der Union bei 50 Prozent liegen. Um Feminismus geht es dabei nicht, sondern schlicht ums Überleben der Partei.
M änner sind scharfsinniger, kompetenter und ambitionierter als Frauen. Deshalb sind rund 70 Prozent aller Bundestagsabgeordneten männlich, ebenso mehr als 90 Prozent aller Bürgermeister:innen im Land.
In der Union sieht es genauso zufriedenstellend aus: Mehr als 70 Prozent der Mitglieder sind Männer, außerdem 80 Prozent der Abgeordneten im Bundestag. Und trotzdem hat die Strukturkommission der CDU diese Woche beschlossen, dass künftig eine Frauenquote in der Partei gelten soll. Zunächst soll sie bei 30 Prozent liegen, bis 2025 auf 50 Prozent steigen. Warum nur?
Weil die Erklärung der Bestenauslese möglicherweise nicht ganz stimmt. Nicht, dass Männern hier pauschal Intelligenz, Können und ein starker Wille abgesprochen werden sollen – nur sind es vielleicht nicht die zentralen Variablen, wenn es um Repräsentanz und Macht geht.
Jahrhundertelang haben Männer Frauen von Bildung, öffentlichem Leben und politischen Ämtern ausgeschlossen. Noch heute erledigen Frauen mehr als doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit und haben weniger Zeit (nicht zuletzt durch fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten) für Karrieren, auch in der Politik.
Veränderung politischer Kultur
Dazu kommt, dass Gleiche Gleiche fördern – auch, um Macht zu sichern. Zum einen bedeutet der Verlust politischer Macht, dass andere Bedürfnisse berücksichtigt werden. Mehr Frauen legen mehr Wert auf den Ausbau von Ganztagsbetreuung, Teilzeitarbeit, alternative Mobilitätskonzepte. Nur durch den interfraktionellen Zusammenschluss von Frauen wurde es 1997 möglich, Vergewaltigung in der Ehe als eigenen Straftatbestand ins Gesetz aufzunehmen. Prominente Gegenstimmen übrigens: Die Unionspolitiker Volker Kauder, Horst Seehofer und Friedrich Merz.
Damit einher geht eine Veränderung von politischer Kultur. Wo Männer bei genau dieser Debatte noch johlend auf die Pulte im Bundestag klopften wie bei einem guten Witz, leiten schmierige Kommentare über Dirndl heute den politischen Fall ein. Auch laute, autoritäre Männlichkeit kommt nicht mehr überall gut an. Und schließlich heißt der Verlust von Macht, dass den Posten im Kreisverband nicht mehr Jürgen bekommt, sondern Katharina. Eine Quote nimmt Männern die Selbstverständlichkeit, die Sache unter sich auszumachen.
Die Quote in der Union wäre nicht sonderlich radikal – für die Listen etwa würde eine Sollbestimmung gelten; im Zweifel also würden sie nicht angetastet. Und trotzdem wäre die Neuerung ein Erdbeben. 34 Jahre nach den Grünen würde sich die Partei der Männerbünde dazu bekennen, den Anschluss an die Gegenwart nicht verlieren und weiter Relevanz im politischen Geschäft beanspruchen zu wollen. Denn eine Quote ist keine Frage mehr von konservativ oder progressiv, sondern von existenzieller Bedeutung.
Wählerinnen laufen der Union weg, junge Menschen generell. Nur elf Prozent der Erstwähler:innen entschieden sich bei der Europawahl 2019 für sie. CDU/CSU-Mitglieder sind im Schnitt nicht nur männlich, sondern auch über 60, etwa ein Viertel ist älter als 70. Dass die Partei bei jüngeren Wählerinnen nicht gänzlich unten durch ist, liegt besonders an Spitzenfrauen wie Merkel oder von der Leyen. Doch auch die ändern nichts daran, dass die Basis für weibliche Mitglieder nicht attraktiv ist. Ob die Partei will oder nicht: Sie braucht die Frauen.
Der Bundesparteitag im Dezember muss die Quote noch bestätigen. Feministisch, das zur Beruhigung der aufgebrachten Basis, würde die Union dadurch noch lange nicht. Es ginge eher darum, eine kritische Masse von Frauen zu etablieren, die gesellschaftliche Strukturen schafft und eine Politik macht, die auch die andere Hälfte der Menschheit berücksichtigt. Dafür braucht es letztlich auch eine Änderung im Verhalten der Männer. Denn wenn die durch die Quote den Job in der Politik nicht bekommen, können sie anderswo ihre Stärken einbringen. Zum Beispiel – und das ganz ohne Zynismus – zu Hause.
Hinweis: In diesem Text wurde nachträglich präzisiert, dass es 1997 möglich wurde, Vergewaltigung in der Ehe als eigenen Straftatbestand ins Gesetz aufzunehmen.
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