Strompolitik in Italien: Salvini will zurück zur Atomkraft
Italiens rechter Infrastrukturminister fordert, neue Kraftwerke zu bauen. Damit ist er in seiner Regierung nicht alleine. Große Chancen hat der Plan nicht.
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Italien war im Jahr 1987 unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nach einem Referendum aus der Kernkraft ausgestiegen und hatte die damals in Betrieb befindlichen vier Kraftwerke stillgelegt. Dieser Kurs fand die erneute Bestätigung durch die Bürger*innen in einem weiteren Referendum von 2011 – es fand kurz nach dem Desaster im japanischen Fukushima statt –, als sich 95 Prozent gegen neue AKWs aussprachen.
Doch Salvini ficht das nicht an. Am Mittwoch argumentierte er, zuletzt sei der Verbrauch von Kohle bei der Stromgewinnung wieder gestiegen; dem könne nur mit dem Bau neuer Atomkraftwerke Einhalt geboten werden. Und er legte gleich auch einen engen Zeitplan vor. Wenn das Projekt im Jahr 2024 gestartet werde, könne das erste AKW schon im Jahr 2032 ans Netz gehen. Er sähe es gern in Mailand, seiner Heimatstadt, schon um dem Einwand den Riegel vorzuschieben, niemand wolle solche Anlagen bei sich vor der Haustür haben.
Nur in diesem letzten Punkt hatte Salvini Dissens mit dem ebenfalls auf der Tagung anwesenden Minister für Umwelt und Energiesicherheit, Gilberto Pichetto Fratin. Der ist mit dem Wiedereinstieg in die Kernenergie völlig einverstanden, wünscht sich allerdings, dass das erste Kraftwerk in seine Heimatstadt Turin kommt.
Bei einer Volksabstimmung wohl chancenlos
Salvini selbst kündigte an, dass er ein neues Referendum anstrebe, um sich die nukleare Kehrtwende der Regierung von den Italiener*innen absegnen zu lassen. Den neuen Kurs will er damit schmackhaft machen, dass er die Tatsache unterstreicht, es gehe gar nicht mehr um die „alten“ AKWs, sondern um solche „der vierten Generation“.
Realistisch klingen allerdings weder der Zeitplan noch das Projekt selbst. Bisher liegen keinerlei Planungen vor, keinerlei Ansagen, was für ein AKW-Typ errichtet werden soll, keinerlei Pläne für die Finanzierung des Milliardenvorhabens. Der Lega-Chef hat zwar recht, wenn er darauf verweist, dass „die gesamte Regierung“ hinter dem Kurs pro Kernenergie stehe, verbal zumindest. Doch praktisch hat Melonis Exekutive bisher nichts unternommen. Spätestens eine Volksabstimmung dürfte sich als kaum zu überwindende Hürde erweisen.
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