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Streitfall Pflege in DeutschlandAm Ende bleibt Klientelpolitik

Der Pflegebeirat kann sich nicht auf Empfehlungen zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einigen. Psychisch Kranke bleiben benachteiligt.

Gut, wenn einer hilft. Vom Pflegebeirat der Bundesregierung dürfen Demenzkranke hingegen nicht viel erwarten Bild: Ann-Christine Jansson

BERLIN taz | Der Pflegebeirat der Bundesregierung bleibt hart: Es wird in seinem „Bericht zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff“ keine klaren Empfehlungen an die Politik zu künftigen Leistungshöhen in der Pflegeversicherung geben.

Demenzkranke bleiben damit im Leistungsrecht nicht nur benachteiligt gegenüber Pflegebedürftigen mit körperlichen Gebrechen. Sie bekommen auch keine Planungssicherheit, ob und mit wie viel Geld aus der Pflegeversicherung sie ab welchem Zeitpunkt rechnen dürfen. Das erfuhr die taz aus Teilnehmerkreisen.

Zuvor hatte der Pflegebeirat am Dienstag erneut getagt, um eine Endfassung des bereits zum sechsten Mal überarbeiteten Berichts auf den Weg zu bringen. Dieser soll nun nach erneuter Verschiebung voraussichtlich am 27. Juni Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) überreicht werden.

Ziel war, nach mehr als siebenjähriger Debatte Wege aufzuzeigen, wie die Ungleichbehandlung psychisch-kognitiver Einschränkungen gegenüber körperlichen Defiziten abgeschafft werden kann.

Vergeblich: „Es ist gut möglich, dass der Bericht am Ende unterschiedliche Positionen darstellen wird, weil im Beirat kein Konsens besteht“, sagte ein Teilnehmer der taz. „Wir legen nur Modellierungen vor, die im Prinzip beliebig modellierbar sind“, gestand ein anderer.

Bahr verweigert Finanzzusagen

Besonders verärgert seien viele Experten über die Weigerung Daniel Bahrs, konkrete Finanzeckpunkte zu definieren. Ohne diese seien seriöse Aussagen über Leistungsansprüche in den künftig geplanten fünf Pflegegraden nicht möglich. Bislang gibt es drei Pflegestufen.

Zuletzt, so hieß es aus Teilnehmerkreisen, versuchten die unterschiedlichen Lobbyisten im Beirat nur noch, für ihre jeweilige Klientel das Beste herauszuschlagen. So hätten die Arbeitgebervertreter darauf gepocht, dass der Arbeitgeberanteil in der Pflegeversicherung nicht erhöht wird.

Die Interessenvertreter der stationären Einrichtungen wiederum kabbelten sich mit den Anbietern ambulanter Pflegeleistungen um den Bestandsschutz für ihre Pflegebedürftigen. Den Kommunen war wichtig, dass ein Mehrkostenaufwand für bessere Pflege nicht zulasten der Sozialhilfe gehe.

Bereits in einem Schreiben vom 13. November 2012 warnte der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands die beiden Beiratsvorsitzenden, Wolfgang Zöller und Klaus-Dieter Voß, vor dem Scheitern: „Ich habe den Eindruck, dass es durchaus Kreise gibt, die an einem neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit kein Interesse mehr haben, weil sie befürchten, dass der betroffene Personenkreis am Ende schlechter dastehen könnte als heute“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. „Mich beschleicht zunehmend die Sorge, ob wir uns im Expertenbeirat nicht verheben.“

Der Vorsitzende des Expertenbeirats, Wolfgang Zöller (CSU), zugleich Patientenbeauftragter der Regierung, wies Vorwürfe, der Beirat sei gescheitert, zurück. Der taz sagte er: „Der Gesetzgeber bekommt jetzt eine hervorragende Grundlage, um brauchbare Gesetze zeitnah zu machen.“

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3 Kommentare

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  • R
    Rollimops

    Sehr geehrte Frau Haarhoff, ich las Ihren Artikel erst heute, hätte aber eine Bitte: lassen Sie in Zukunft Begriffe wie "Gebrechen" weg. Ich bin nicht gebrechlich, nur weil ich querschnittgelähmt und rollstuhlnutzend bin, sondern körperlich eingeschränkt. Auch meine Mutter, nun 75 Jahre alt, würde sich wohl gegen diese Zuschreibung wehren, trotz Parkinson.

    Zum Inhalt: Es wird regelmässig so getan, als könne man bei Demenz zwischen körperlicher, seelischer und geistiger Einschränkung trennen. Dabei ist das schierer Blödsinn! Welche (körperliche) Hilfeleistung muss gegeben werde, weil der Mensch zusätzlich eine (Alters-)Depression hat (und z. B. nicht mehr aufstehen will), oder weil die Demenz die körperliche Pflege wesentlich aufwendiger gestaltet? Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz in der Pflege, der den tatsächlichen Bedürfnissen wie Bedarfen der Menschen gerecht wird.

  • ER
    es reicht nicht mal für die alten hilflosen Menschen in dieser Republik ???

    Wolfgang könnten Sie bitte mal das Wort Michels weglassen. Danke.

     

    Das für Pflegebedürftige kein Geld mehr da ist, ist mehr als traurig, aber so wie unsere Regierung ihre Bürger einstuft, ist ein pflegebedürftiger Mensch nur ein Unkostenfaktor sonst nichts mehr.

     

    Die Gelder für die Pensionen der ganzen Beamten und Minister ist in einem extra 'Topf und wird auch nicht angerührt. Denen sind die Pensionen 100 % sicher, ganz anders beim einfachen Volk.

     

    Die Gelder für die Renten der arbeitenden Bevölkerung wurden zweckentfremdet und nie wieder zurückgegeben in den Rententopf.

     

    Ein Beamter bekommt 72 % seines letzten Gehaltes. Wenn ein Minister sein ganz normales Gehalt von etwa 13.000 € hat, kann man sich leicht errechnen, wie hoch dessen "Rente bzw. Pension" sein wird. Bezahlt alles der Steuerzahler, der sich den Buckel krumm arbeitet, damit es unseren Beamten und ganz wichtig unseren Politikern gut geht. Und dennoch schreit unser Hr. Steinbrück der SPD ein Jahresgehalt wie es Frau Merkel habe, sei ihm zu wenig. Dabei hat er noch mehrere Nebenjobs, oder ist in Vorständen mit drin und hat sich dabei mehr als eine Million nebenbei verdient. Ob er das alles auch so hoch versteuern muss wie der normale Bürger ????

     

    Es liegt sicher nicht daran, das unsere Renten so klein sind, weil es keine Kinder gäbe die für unsere Rente arbeiten. Ich sage es liegt u.a. an der enormen Zahl der Arbeitslosigkeit, der Hartz IV Betroffenen, an den Sozialleistungen für verarmte Rentner, und Aufstocker durch Niedriglöhne, an den allgemein viel zu niedrigen Löhnen, dann haben wir enorme Zuwanderung seit Jahren durch Armutsflüchtlinge aus Armutsländern. Dann gibt es natürlich die die hierher kommen und vorher schon bestens informiert sind wieviel man dem deutschen Staat abziehen kann und fordern das auch bei den Sozialämtern ein, nicht mal ein Deutscher kennt diese Lücken. Dann die Eurorettung, Felhlplanungen der Regierenden mit hohen finanziellen Verlusten in Milliardenhöhe, Kriege die wir mit Waffen und Soldaten unterstützen über Jahre schon, was uns Deutsche allein in Afghanistan tägl. 1 Million Euro kostet. Dazu kommen noch Asylsuchende, wo nicht jeder wie es so gerne behauptet wird ein Sozialschmarotzer ist, weil sie wirklich aus Kriegsgebieten kommen.

  • W
    Wolfgang

    Erinnerung.

     

    In einer Fernsehrunde sagte eine SPD-Politikerin aus Bayern, ihre Kinder müssten für sie nicht aufkommen, sie habe für ihren Ruhestand vorgesorgt.

     

    Gegen Ende der TV-Veranstaltung wurde sie gefragt, wie viel sie den monatlich für ihren Ruhestand dafür zur Verfügung hätte? -

     

    Die SPD-Frau nannte den Betrag von: "7.200 Euro" monatlich an Pension!

     

     

    Merke: Entfremdung der politischen Administration - in Ministerien, Bundesregierung, Lobby-Parteien und Bundesparlament - gegenüber der sozial-ökonomischen Realität! - bei der werktätigen Bevölkerungsmehrheit. // =

     

    So sieht es aus, in der (A)"Sozialen Marktwirtschaft", in der Deutschland AG der Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren gesellschaftspolitischen Administration!

     

    Aufwachen, brave bundesdeutsche Michels!