Streit zwischen Afghanistan und Pakistan: Wenn die Waren verderben
Seit Mitte Februar ist die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan geschlossen. In der Wirtschaft der Region sorgt das für Millionenschäden.
Afghanistan und Pakistan werfen sich gegenseitig vor, militanten Gruppen Schutz zu gewähren, was beide zurückweisen. Am 16. Februar machte Pakistan nach einer Reihe brutaler Selbstmordanschläge mit mehr als 125 Toten alle Grenzübergänge dicht: Der Regierung in Islamabad zufolge waren die Anschläge von Rückzugsorten in Afghanistan geplant worden. Auch Kabul wurde von entsetzlichen Anschlägen getroffen, zuletzt starben bei einem koordinierten Angriff auf ein Militärkrankenhaus mindestens 50 Menschen.
Auf Bitten des afghanischen Botschafters in Pakistan, Omar Sachilwal, öffnete Pakistan die Grenzübergänge vergangene Woche für zwei Tage, um schätzungsweise 35.000 gestrandete Bürger beider Seiten in ihre Häuser zurückkehren zu lassen. Viele Familien haben Verwandte und kulturelle Wurzeln auf beiden Seiten.
Doch die Schließung der Grenzposten schadet vor allem der Wirtschaft der Region: Über die afghanisch-pakistanische Grenze führt einer der lukrativsten Handelswege Südasiens. Hier fließt nach Angaben des pakistanischen Zolls der Nachschub für Nato-Truppen, die noch immer in Afghanistan stationiert sind; aber auch afghanische Waren, die für internationale Märkte bestimmt sind, werden durch Pakistan zum Seehafen Karatschi im Arabischen Meer transportiert.
Bei befriedeter Grenze könnte das Handelsvolumen nach Angaben der gemeinsamen Handelskammer beider Länder bei bis zu vier Milliarden Dollar jährlich liegen. „Wir verstehen die Empfindlichkeiten“, sagt Vizepräsident Siaul Hak Sarhadi. Doch die Behinderungen des Handels führen bereits zur Verknappung bestimmter Waren: „Afghanistan ist von Nadeln bis Hubschraubern bei allem auf Pakistan angewiesen“, betont Sarhadi. Afghanische Mitglieder der Organisation nannten die Grenzschließung illegal und unlogisch.
Am schlimmsten für Kleinhändler
Der 2400 Kilometer lange Grenzverlauf wurde nach dem ehemaligen britischen Diplomaten Henry Mortimer Durand benannt, der 1896 die Demarkationslinie zog. Seither sorgt die Grenze für Streit und bewaffnete Konflikte. Anfang März sagte der ehemalige afghanische Präsident Hamid Karsai, Afghanistan werde die Durand-Linie niemals als internationale Grenze akzeptieren, was auf pakistanischer Seite Ängste schürte.
Afghanistan und Pakistan handeln vor allem mit Baumaterial, Fleisch sowie frischem und getrocknetem Obst. Die wahren Opfer sind nach Angaben Sarhadis die kleinen Händler, für die eine oder zwei verdorbene Lastwagenladungen an der Grenze den Ruin bedeuten können. Seit Schließung im Februar strandeten mehr als 2000 Lastwagen am Übergang Torcham an der nordwestlichen Grenze Afghanistans. Die andauernde Schließung „hat uns schwer getroffen“, sagt Lal Rahim Schinwari, Präsident des Handelsverbands der nahe gelegenen pakistanischen Stadt Landi Kotal. „Wir, die Bewohner und Händler, sind am schlimmsten betroffen.“
Wann die Grenze wieder dauerhaft geöffnet werden soll, sagte die pakistanische Regierung nicht. Beide Staaten tauschten Listen von Extremisten aus mit der Forderung nach Festnahme und Auslieferung. Afghanistan identifizierte zudem 23 Zufluchtsstätten von Aufständischen in Pakistan und forderte Islamabad auf, diese zu schließen.
Asrachsch Hafisi ist Mitglied der afghanischen Handelskammer in Kabul und fordert ein Kooperationsabkommen mit Pakistan. Andernfalls zerstöre die Politik die Unternehmen beider Länder. Auf den Märkten von Kabul schnellten die Preise schon jetzt nach oben. „Immer haben wir viele, viele Probleme wegen der Politik“, klagt er. „Die Geschäftswelt erleidet eine Menge Verluste und Schwierigkeiten. Wir müssen eine Lösung finden.“
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