Streit um die Leichschau: Hamburg will nach Bremen
Eine Anhörung vorm Gesundheitsausschuss geriet zu einer Werbeveranstaltung der Rechtsmedizin Hamburg. Die möchte gern expandieren.
BREMEN taz | Um die „Durchführung der Leichenschau in Bremen“ sollte es am vergangenen Donnerstag in der Gesundheitsdeputation gehen. Da liegt nämlich einiges im Argen. Zum Anlass genommen hat Michael Birkholz, Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts Bremen, diesen Termin aber freilich auch, um „sein“ Institut mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Denn Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), bewarb die Leistungen seines Instituts in den höchsten Tönen. Das hat bereits eine Außenstelle in Bremerhaven und würde gern auch nach Bremen.
Dass der Rechtsmedizin Bremen das Ende zugunsten einer weiteren UKE-Außenstelle bevorsteht, mochte Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse (parteilos) allerdings nicht bestätigen. Dieses Thema, entgegnete er auf Nachfrage der CDU-Abgeordneten Gabi Piontkowski, ist noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Dabei grassiert das Gerücht schon länger – zum Beispiel in der Ärzte Zeitung: Hinweise würden sich mehren, hieß es dort, dass der Senat die Rechtsmedizin loswerden wolle zugunsten einer Kooperation mit Hamburg. Und in der Bürgerschaft hatte Schulte-Sasse von einer „Grundsatzentscheidung“ gesprochen, die gefällt werden müsse, wenn Birkholz 2015 in den Ruhestand gehe.
Das Institut, sagt Jens Schmidt, Sprecher des Gesundheitssenators, habe mit vier Ressorts Geschäftsbeziehungen, „und gemeinsam sind wir noch dabei, zu definieren, was jedes einzelne von einer Rechtsmedizin benötigt und erwartet“. Eine Auswertung habe aber noch nicht stattgefunden. „Am Ende wird das Ganze ein nüchternes Zahlenspiel: Was kostet es, wenn wir das Institut behalten und was kostet es, wenn wir einen Externen beauftragen?“ Ob damit das UKE gemeint ist, sagt Schmidt nicht, aber: „Mit der Außenstelle in Bremerhaven arbeitet insbesondere die Staatsanwaltschaft ja schon zusammen.“ Und ja, Püschel sei durchaus interessiert am Standort Bremen.
Beim Thema „Leichenschau“ lobte der sein Institut denn auch in den höchsten Tönen – genauso wie Birkholz seins. Letzterer macht sich stark für eine Änderung der Leichenschau in Bremen, denn Verstorbene dürfen von Ärzten ohne besondere rechtsmedizinische Ausbildung begutachtet werden – eine Praxis, bei der fehlerhafte Totenscheine vorprogrammiert sind. Nur bei einer „qualifizierten Leichenschau“ durch Rechtsmediziner oder Ärzte mit entsprechender Zusatzausbildung könne sichergestellt werden, dass Pflegefehler, Suizide oder andere unnatürliche Todesursachen erkannt würden. In Bremen kann das laut Birkholz der ärztliche Beweissicherungsdienst (ÄBD) seines Instituts tun – deren Ärzte seien ja bereits qualifiziert. Ihm geht es dabei freilich nicht nur um eine Qualitätsverbesserung, sondern um das schlichte Überleben seines Instituts.
Der ÄBD nämlich hat seit Pfingsten wiederholt an den Wochenenden keine Ärzte zur Verfügung stellen können, sodass die Bremer Polizei sich an die Notaufnahme der Krankenhäuser wenden musste, um zum Beispiel Drogenkontrollen machen zu lassen. Das Begutachten von Toten, die im Beisein von PolizistInnen untersucht werden müssen, musste deswegen sogar tagelang warten. „Wir haben immer weniger Aufträge bekommen“, begründet Birkholz den Notstand. Deswegen hätten sich auch immer weniger Ärzte bereit erklärt, für 40 Euro pro Fall stundenlang abrufbereit zu sein. Würde in Bremen die qualifizierte Leichenschau verpflichtend, bedeute das Zuwachs an Aufträgen und Sicherstellung von Personal.
Die soll nun kurzfristig anders gewährleistet werden, nämlich durch die Erhöhung der Pauschalen für den ÄBD – so sagte es am Freitagnachmittag eine Sprecherin der Innenbehörde der taz. „Die Zusammenarbeit mit dem UKE steht für uns derzeit nicht zur Debatte“, so Rose Gerdts-Schiffler.
Ob das auch für die anderen Ressorts gilt, ist noch unklar. Eine qualifizierte Leichenschau, sagt nämlich Püschel, könne er auch garantieren – und zwar besser als das ÄBD: Seine ÄrztInnen würden auch darauf achten, ob es sich bei den Toten um OrganspenderInnen handele und Hornhautspenden entnehmen: „Ich bezweifle, dass das auch von Mitarbeitern des Beweissicherungsdienstes durchgeführt werden könnte.“
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