Streit um die EU-Lieferkettenrichtlinie: Die Lieferung steht aus
Auf ihren jeweiligen Europaparteitagen möchte die FDP gegen eine Verschärfung der Lieferkettenrichtlinie werben – und die SPD dafür.
Vergangene Woche hatte sich das FDP-Präsidium gegen die Arbeiten auf EU-Ebene zur Lieferkettenrichtlinie gestellt. „Wir haben bereits ein wirksames Lieferkettengesetz in Deutschland“, erklärte am Donnerstag der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Carl-Julius Cronenberg, gegenüber der taz. Eine weitere Bürokratiebelastung „ohne wirksamen Mehrwert für die Menschenrechte“ sei für die Partei nicht tragbar. Der vorläufige Kompromiss, den EU-Kommission, Parlament und Ministerrat Mitte Dezember gefunden hatten, würde kleine und mittlere Unternehmen überfordern, so Cronenberg. „Hinzu kommen ein weiterer Anwendungsbereich und viel Bürokratie.“
Dabei hatte das FDP-geführte Bundesjustizministerium zusammen mit dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium federführend an der Richtlinie gearbeitet. Die Erleichterung war groß, als nach zwei Jahren zäher Verhandlungen am 14. Dezember 2023 der Entwurf zu einer Richtlinie zu Verpflichtungen von Unternehmen zu Menschenrechten und Umweltschutz stand. Die finale Zustimmung von Parlament und Rat galt dabei zuletzt als reine Formsache.
FDP stimmt über ihre EU-Listenplätze ab
Doch die Bundesregierung droht die Einigung nun wieder zu gefährden. Aus dem Justizministerium von FDP-Politiker Marco Buschmann hieß es am Donnerstag, dass die regierungsinternen Gespräche zur „endgültigen Positionierung“ der Bundesregierung zur EU-Lieferkettenregelung andauerten. „Das Bundesjustizministerium hat sich stets für eine konstruktive Verhandlungsführung der Bundesregierung in Brüssel zur EU-Lieferkettenregelung eingesetzt.“ Buschmann habe dabei jedoch von Anfang an deutlich gemacht, dass er sich „vor der abschließenden Meinungsfindung zum finalen Richtlinientext das Gesamtergebnis ansehen werde“.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Manuel Gava, Mitglied im Arbeitsausschuss, fordert von der Bundesregierung einen Einsatz für die neue Richtlinie. „Ich erwarte ein klares Bekenntnis zum Lieferkettengesetz von der Bundesregierung und vom Kanzler und keine Enthaltung“, sagte er der taz. Im Koalitionsvertrag sei eindeutig geregelt, dass die Regierung sich für ein europäisches Lieferkettengesetz einsetze.
„Ein weiterer German Vote würde unsere Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit in Europa massiv beschädigen“, sagte er mit Anspielung auf die Diskussionen in Brüssel vom vergangenen März. Damals hatte die FDP das gemeinsam ausgehandelte Aus für Verbrennungsmotoren in neuen Autos ab 2035 unterminiert und auch eigene Fraktionskolleg*innen im EU-Parlament vor den Kopf gestoßen. „Deutschland muss auf europäischer Ebene seriös und verlässlich auftreten, das erwarten die anderen Mitgliedsländer zurecht von der größten Volkswirtschaft in der EU“, mahnt der SPDler Gava.
Unterdessen möchte die FDP bei ihrem Parteitag die Verteidigungspolitikerin und Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf dem ersten Listenplatz in die EU-Wahlen schicken. Auf den vorderen 7 Plätzen gilt die Aufstellung als umkämpft. Derzeit sitzt die FDP mit 5 Abgeordneten in der europäischen Kammer in der Fraktion Renew Europe, gemeinsam mit Kolleg*innen der Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, La République en Marche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen