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Streit um autofreie InnenstadtRote Ampeln für den grünen OB

Bundesweit machten Onays Pläne für eine autofreie Innenstadt in Hannover Furore. Aber in der Stadt zerstreitet sich die rot-grüne Koalition.

Verirrt im Schilderwald? Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) im „Experimentierraum“ Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannover taz | Wer sehen möchte, welche absurden Züge die Debatte um Hannovers Innenstadtkonzept bisweilen annimmt, muss sich an die Ernst-August-Galerie halten. In dem schicken, großen Einkaufszentrum am Hauptbahnhof, am Rande der Fußgängerzone gelegen, ging am zweiten Novemberwochenende gar nichts mehr – jedenfalls für die Kunden, die mit dem Auto angereist waren und im hauseigenen Parkhaus standen.

Zu den Stoßzeiten rund um den Ladenschluss staute sich der Verkehr derart zurück, dass kein Rauskommen mehr möglich war. Der Center-Manager war darüber so erbost, dass er Flugblätter drucken ließ. Mit einem Auszug aus dem Innenstadtkonzept und den Kontaktdaten des grünen Oberbürgermeisters Belit Onay – man solle sich doch bei dem beschweren.

Der Haken daran: Das Verkehrskonzept ist noch gar nicht beschlossen und logischerweise auch nicht umgesetzt. Schuld war nach Auskunft der Stadt vielmehr eine defekte Ampelschaltung.

Als Belit Onay im September sein Konzept für eine weitgehend autofreie Innenstadt vorstellte, erhielt er dafür bundesweit viel Aufmerksamkeit und Applaus. Doch seither formiert sich in der Stadt der Widerstand – wenig überraschend von Seiten der CDU, die mit markigen Worten den „Kulturkampf gegen das Auto“ geißelt.

Auch die Wirtschaftsverbände – angefangen von den Kammern, über Handelsverbände, Gastronomen und Bauindustrie – haben öffentlich Nachbesserungen gefordert. Von ihren „11 Forderungen für eine gute Erreichbarkeit“ befassen sich neun mit dem PKW-Verkehr, Lieferverkehren und Parkplatzproblemen und nur eine mit der Forderung nach besserem öffentlichen Nahverkehr, anderthalb wenn man die Forderung nach mehr Park+Ride-Parkplätzen mitzählt.

SPD probt den Aufstand

Soweit, so erwartbar. Vor ein strategisch viel größeres Problem dürfte es Onay und seine Grünen allerdings stellen, dass nun der Koalitionspartner SPD den Aufstand probt. Ohne die SPD hat das Konzept im Rat keine Mehrheit. Der Streit ist so massiv, dass politische Beobachter schon fragen, ob das nun wohl das Ende von Grün-Rot in der Stadt sein könnte.

Bei den Deutungen wird viel herumpsychologisiert: Liegt es daran, dass die SPD den Verlust „ihres“ Rathauses nie verwunden hat? Fühlt sie drei Jahre vor der nächsten Kommunalwahl das dringende Bedürfnis, sich zu profilieren? Geht es um persönliche Befindlichkeiten?

Tatsächlich scheinen die Genossen inhaltlich gar nicht so weit entfernt von ihren grünen Partnern zu sein. Betrachtet man den Forderungskatalog, den die SPD-Ratsfraktion nun vorgelegt hat, findet sich darin auf den ersten Blick kaum ein fundamentaler Widerspruch zum Konzept der Stadt – eher Ergänzungen und Weiterentwicklungen. Anders als die CDU setzt die SPD keineswegs allein auf die Stimmen entnervter Autofahrer.

Der Punkt, an dem sich die beiden Fraktionen hoffnungslos verhakt haben, scheint vor allem mit der politischen Kultur der beiden Parteien zu tun zu haben. Die SPD pocht auf ein umfangreiches Beteiligungsverfahren – Bezirksräte, die Region, Verbände, Anwohner und Bürger – alle sollen einbezogen und befragt werden.

Aus Sicht der Grünen ist da aber schon einiges geschehen. Immerhin gab es einen großen „Innenstadtdialog“ mit dutzenden Konferenzen in unterschiedlichen Besetzungen, eine Bürgerbefragung, öffentliche Veranstaltungen und „Experimentierräume“.

Belit Onay möchte nun „endlich ins Handeln kommen“, wie er es ausdrückt. Man träumt vom großen Wurf und sieht sich getragen von einer großen Welle der Zustimmung. Immerhin ist Onay 2019 mit dem Versprechen auf eine autofreie Innenstadt ins Amt gekommen. Und bei nahezu jeder Veranstaltung zum Thema steht irgendwann jemand im Publikum auf und fragt, wann es denn nun endlich soweit sei.

Manchen geht das aktuelle Konzept gar nicht weit genug – immerhin umfasst es nur den unmittelbaren Innenstadtbereich. Aus Sicht der Grünen ist der Zeitpunkt günstig: Denn selbst bei den weniger Veränderungsfreudigen hat sich angesichts der kränkelnden Innenstädte die Erkenntnis durchgesetzt, dass einfach immer so weitermachen keine gute Option ist.

„Abpollern“ reicht nicht

Die SPD zweifelt allerdings daran, dass das, was Grüne unter Beteiligung verstehen, alle relevanten Gruppen erfasst. „So viele Zuschriften von Leuten, die sich eben nicht beteiligt fühlen, habe ich in zwanzig Jahren Politik nicht gesehen“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Lars Kelich.

Er glaubt außerdem, dass Onay den zweiten Schritt vor dem ersten macht. Man müsse sich doch erst einmal Gedanken darüber machen, wie diese städtischen Räume denn nun genutzt werden sollten – und dann die Verkehrsflüsse regeln. „Einfach nur abpollern, reicht nicht“, ist sein Lieblingssatz.

Onays Konzept funktioniert aber genau anders herum: Erst einmal Freiräume schaffen, Impulse geben – und dann darauf setzen, dass daraus eine Dynamik entsteht, die andere Player animiert und mitreißt. Allen Recht machen, heißt es bei den Grünen hinter vorgehaltener Hand, kann man es bei diesem Thema nicht. Schon gar nicht jenen, für die an jeder ausgefallenen Ampel oder jedem Baustellenstau der grüne OB Schuld ist.

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