piwik no script img

Streit um Zukunft der LandwirtschaftGuter Bauer, böser Bauer

Das hat mittlerweile Tradition: Im Vorfeld der Grünen Woche laufen sich deutsche Agraraktivisten und Landwirte warm.

Sie haben sie immer noch satt, die konventionelle Landwirtschaft Foto: dpa

Berlin taz | Zum Start der 81. Grünen Woche machen die beiden konkurrierenden Initiativen „Wir haben es satt!“ und „Wir machen Euch satt“ mobil. Wie jedes Jahr lassen es sich die beiden Zusammenschlüsse nicht nehmen, anlässlich der weltweit größten Landwirtschaftsmesse zu demonstrieren.

Unter dem Motto „Wir haben Agrarindustrie satt! Keine Zukunft ohne Bäuerinnen & Bauern“ wenden sich die Agraraktivisten von „Wir haben es satt“ am kommenden Samstag gegen die Auswüchse der globalisierten Agrarindustrie: „Höfesterben“, „Dumpingpreise“ in der Fleisch- und Milchindustrie, artgerechte Tierhaltung, „Landraub durch Großinvestoren“ im globalen Süden. Der Umbau der konventionellen Landwirtschaft, sagt Kampagnenleiter Jochen Fritz, sei dringend notwendig. Er rechnet wie vergangenes Jahr mit „mehreren zehntausend“ Protestierenden.

Mit deutlich weniger TeilnehmerInnen kalkuliert Marcus Holtkötter, Organisator des Zusammenschlusses von Landwirten namens „Wir machen Euch satt“. Geplant sind zudem Aktionen in landwirtschaftlich geprägten Regionen. Hofbesichtigungen, Infostände oder Kundgebungen auf Wochenmärkten vor Ort soll es dabei geben. Nicht jeder Landwirt finde die Zeit, nach Berlin zu kommen, ungefähr 1.000 Demonstranten dürften es werden, schätzt Holtkötter. Jedenfalls mehr als im vergangenen Jahr. Aufgerufen sind alle, die für eine „vorurteilsfreie Betrachtung der modernen Landwirtschaft eintreten“.

Das war auch eines der Hauptthemen einer Pressekonferenz am Montag, bei der Jochen Fritz und Marcus Holtkötter erstmals gemeinsam an einem Tisch saßen. Der Bauernfunktionär Holtkötter sieht die Landwirte grundsätzlich diffamiert, und das, obwohl sich in der konventionellen Landwirtschaft „sehr viel getan“ habe.

Dem stimmt selbst der Agraraktivist Jochen Fritz zu. Allerdings beruhe dieser Eindruck auf Missverständnissen. „Auch wenn sich in unserem Bündnis sehr kritische Stimmen finden“, sagt Fritz, kämen zu seiner agrarkritischen Veranstaltung auch viele Kleinbauern. Grundsätzlich protestiere „Wir haben es satt!“ nicht gegen die Bauern, „aber gegen eine Politik, die bestehende Strukturen schützt.“

Am kommenden Freitag startet in Berlin die weltgrößte Agrarmesse, mehr als 1.600 Aussteller werden erwartet. Das Partnerland ist dieses Jahr Marokko, das Thema seiner Ausstellungshalle lautet „Tausendundeine Nacht“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Der Kampagnenleiter der "Wir-haben-es-satt"-Demo, Jochen Fritz, bestätigt laut dem Artikel, dass sich 2015 sehr viel in der konventionellen Landwirtschaft getan habe. Was ihn wohl zu dieser Aussage verleitet hat? Außer warmer Worte ist meines Erachtens nicht viel gewesen. Davon konnte man sich erst heute Abend wieder in einem "Report-Mainz"-Beitrag überzeugen: Obwohl Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt nach verstörenden Aufnahmen aus Zuchtanlagen das Ferkeltöten zum Topthema im Tierschutzbericht gemacht hatte, hat sich für die Tiere nichts verbessert. Dies belegen von Tierschützern gemachte Aufnahmen:

     

    Ferkel werden weiterhin qualvoll getötet http://www.swr.de/report/trotz-versprechen-der-politik-ferkel-werden-weiterhin-qualvoll-getoetet/-/id=233454/did=16772938/nid=233454/15h0gbp/index.html

     

    Einen detaillierten Rückblick auf das Tierschutzjahr 2015 gibt es übrigens hier:

    http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/tierschutzjahr-2015-rueckblick#utm_source=nl15-50&utm_medium=email&utm_campaign=w-nl

  • [...] Beitrag entfernt. Die Moderation

    • @Christina de Havilland :

      Toll ein Rückblick einer Politischen Stiftung, welch eine Aussagekraft hat diese?

      Und es ist wie immer in dieser Gesellschaft, das Fehlverhalten einiger wird unreflektiert einer ganzen Gruppe angelastet. Es ist in Deutschland schon an der Tageordnung, egal ob es sich um den Kölner Bahnhof dreht oder um eine Berufsgruppe.

      • @Jörg 70:

        Wenn Sie sich den Bericht einmal ansehen, werden Sie feststellen, dass es sich um eine Aneinanderreihung von Fakten handelt, die noch dazu anhand seriöser Quellen belegt werden. Sollten Sie jedoch einen inhaltlichen Fehler entdecken, dürfen Sie das den Lesern hier natürlich gerne mitteilen.

         

        Und was meinen Sie mit dem "Fehlverhalten einiger"? Die (untätigen) Politiker ...? Aber im Ernst: Es ist nun einmal Fakt, dass derartige Verstöße systemimmanent sind, wie Undercover-Aufnahmen in schöner Regelmäßigkeit bestätigen. Allein die gestern von "Report Mainz" gezeigten Aufnahmen stammen aus drei verschiedenen Anlagen.

        Dass es sich nicht um bedauerliche Einzelfälle handelt, ist aufgrund des Prinzips der Gewinnmaximierung, gepaart mit dem enormen Preisdruck, unter dem die Bauern stehen, nur allzu logisch. Gestern erschien, um nur ein Beispiel zu nennen, ein Zeitungsartikel zum Antibiotikaeinsatz bei „Milchkühen“. Nebenbei: Inzwischen erfolgt hier jede zehnte Behandlung mit Reserveantibiotika. Darüber hinaus heißt es: "Zu diesen Krankheiten (Anm.: Euterentzündungen und Klauenerkrankungen) komme es, weil Bauern aus wirtschaftlichem Druck mehr Tiere als früher halten und ihnen mehr Leistung abverlangen müssten, sagte die Milchbäuerin und Tierärztin Elisabeth Boese" (http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/ernaehrung/germanwatch-milchkuehe-bekommen-zu-viel-antibiotika-aid-1.5683803).

         

        Hier vom „Fehlverhalten Einzelner" zu sprechen, ist eine Verleugnung der Realität, die dem alleinigen Zielt dient, sein Verhalten nicht ändern zu müssen.

         

        Jeder kann mit seinem Kaufverhalten zu einer Beendigung dieser Zustände beitragen!

         

        (Ich hatte meinen allerersten Kommentar zu dem Thema übrigens gestern löschen lassen, da ich ihn noch leicht abändern wollte. Da nun aber schon jemand darauf geantwortet hat, habe ich ihn in der Ursprungsversion erneut gepostet.)

        • @Christina de Havilland :

          ich weiß es passt nicht in Ihr Weltbild.. http://www.schweine.net/news/bfr-antibiotikaresistenzen-nicht-weiter-gestiegen.html

          • @Jörg 70:

            Sie führen allen Ernstes einen Artikel des Bundesinstituts für Risikobewertung an ...? Dabei handelt es sich um die Behörde, die Leserbriefe von Monsanto-Mitarbeitern als Studien wertet (http://www.bund.net/index.php?id=22808) und die Gefahren durch Glyphosat verharmlost, obwohl die WHO das Herbizid als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hat.

             

            Was nun den Antibiotika-Einsatz anbelangt: Es gibt keinerlei Grund zur Entwarnung: Selbst die konservative Zeitung DIE WELT berichtete, u. a. unter Berufung auf das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), dass die Gabe von Reserveantibiotika gestiegen ist: http://www.welt.de/gesundheit/article147083828/Turbomast-macht-Notfall-Antibiotika-unbrauchbar.html

             

            Aber die Politik bleibt wie immer untätig ...

            • @Christina de Havilland :

              Antibotikareduzierung ist nicht nur im Interesse des Verbrauchers sondern auch des Erzeugers, den jede Antibotikagabe kostet Geld. Wie schon gesagt, nach Untersuchung der Niedersächsischen Landesregierung von 2007 auf Anfrage der Grünen haben der mit Antibiotikaresitentenkeimen infizierten Personen keine 2% Keime die aus der Tierhaltung herrühren (Genomtest macht es möglich).

              Zudem kommen 98% aller Antibotikaresistenzen aus der Hummanmediezien und der Heimtierhalting, da liegt das große Potentzial für den Verbraucherschutz aber nicht für die Populisten wie Remmel und konsorten. Schade das die Medien nur den Brandstieftern nach lauf statt vernüftige zu informieren.

              • @Jörg 70:

                Für Interessierte möchte ich aus einem Artikel der ZEIT zitiieren:

                 

                „(…) Und dass Landwirte auf einmal nicht nur Ferkelzüchter und Putenmäster waren, sondern – Risikopatienten. »Wenn ein Landwirt in eine Klinik kommt, muss er im Prinzip sofort in Quarantäne. Landwirte tragen diese Keime.« Alle sind es noch nicht, aber nach einer Untersuchung der Uni-Klinik Münster aus dem Jahr 2012 sind in viehreichen Regionen fast 80 Prozent der Landwirte mit solch gefährlichen Keimen besiedelt.“

                 

                "MRSA-Erreger kommen besonders häufig dort vor, wo viele Antibiotika eingesetzt werden. Lange Zeit war dies vor allem in Kliniken der Fall, MRSA-Keime wurden erstmals 1964 in britischen Krankenhäusern nachgewiesen. Doch seit der Intensivierung der Landwirtschaft taucht der Erreger in etwas mutierter Form zunehmend auch an ganz anderen Orten auf: in Mastställen.“

                 

                "Jeder vierte Mensch, der beruflich mit Schweinen und Hühnern zu tun hat, ist LA-MRSA-positiv – aber nur jede 66. Person ohne Tierkontakt. Auch über die Abluft aus den Ställen und den Kot der Tiere werden die resistenten Bakterien auf Menschen übertragen.“

                 

                "Noch sind deutschlandweit nur etwa zwei Prozent aller erfassten Infektionen mit resistenten Keimen definitiv auf die Variante aus dem Stall zurückzuführen. In nutztierreichen Gegenden wie dem Münsterland oder dem südwestlichen Niedersachsen liegt der Anteil aber schon bei zehn Prozent. Fast jede dritte Besiedlung ist dort bereits »nutztierassoziiert«. Tendenz: deutlich steigend. Vor allem in Schweine- und Geflügelställen taucht LA-MRSA in Massen auf – dort also, wo die Tiere auf engstem Raum gehalten werden und ständiger Antibiotika-Gabe ausgesetzt sind."

                http://www.buerger-massen.de/wp-content/uploads/2014/11/141120-DIE-ZEIT-20.11.2014-DIE-RACHE-AUS-DEM-STALL-DAS-BRINGT-UNS-NOCH-UM.JPEG1.pdf

                • @Christina de Havilland :

                  Tote durch Keime aus der Landwirtschaft 0

                  Tote durch Krankenhauskeime jährlich mehr als 3850

                  Wo ist das Große Problem über das wir diskutieren müssten?

                  Die Erkrankungen an Allergien ist in der nähe von Tierhaltenden Betrieben so gering, dass Forscher sich Staub aus den Betrieben besorgen und versuchen diese Medizinisch einzusetzen um Allergien zu mindern.

                  Auch Biobetriebe sind nicht frei von MRSA (übrigens haben die Betriebe auch Probleme bei den Schweinen mit Schwanzbeisen).

                  Wie es schon die Überschrift hergibt, viele selbst ernannte Intellektuelle die keine Ahnung von Tierhaltung haben (außer von der Einstellung eines Hundesitters) Maßen sich an die im Agrarbereich tätigen in gut und böse zu unterteilen, spielen sich als göttlich ernannte Richter auf und urteilen auf Grund dessen was Ihnen die Medien präsentieren.

                  • @Jörg 70:

                    Der Newsletter der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V., von dem Sie ja hier auch eine Seite verlinkt haben, ist da sicherlich die seriösere Quelle ;-)!

      • @Jörg 70:

        P. S.: Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt wurde übrigens von einem Privatmann, Wolfgang Schindler, gegründet und ist seit dessen Tod im Jahre 2013 spendenfinanziert. Es handelt sich somit nicht um eine politische Stiftung.