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Streit um WeservertiefungGegenwind für die Bagger-Freunde

Der Bremer Wirtschaftsverband Weser will, dass der Fluss noch tiefer und breiter wird. Im „Unterweser-Dialog“ mit Anrainern trifft das auf Widerstand.

Weser aus der Luft: Folgen der Vertiefung sind veränderte Strömungen und mehr Schlick Foto: Zoonar/imago

Osnabrück taz | Eigentlich ist die Weser ja ein schöner Fluß. Majestätisch fließt sie dahin, Millionen Jahre alt, und viele denken: pure Natur. Aber seit 150 Jahren greift der Mensch massiv in sie ein. Vertiefung auf Vertiefung hat sie erlebt. Versalzung ist die Folge, Strömungsänderung, Verschlickung.

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) sieht eine erneute Vertiefung vor. Schiffe mit bis zu 12,80 Meter Tiefgang sollen den Hafen im niedersächsischen Brake erreichen können, tief im Binnenland.

Der Bremer Wirtschaftsverband Weser nennt das Ausbaggern „dringend erforderlich“. Es gehe um die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen Bremerhaven und Brake, um Arbeitsplätze. Auch die Klimaziele von Bundesregierung und EU werden ins Feld geführt. Der Verband beruft sich auf eine Untersuchung des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts und der Hamburger Beratung Makait, Wittenbrink Partners GmbH. Dieses Gutachten prognostiziert mit der neuerlichen Vertiefung der Weser nicht zuletzt eine Einsparung von 225.000 LKW-Fahrten pro Jahr. Die Häfen seien „von höchster strategischer Bedeutung und systemrelevant für Deutschland“.

Anfang Oktober hat der „Dialog zur Fahrrinnenanpassung der Unterweser (Nord)“ begonnen. Dutzende Weser-Anrainer kamen in Brake zusammen, darunter Firmen, Kommunen und Umweltverbände. Auch Olaf Lies (SPD) und Christian Meyer (Grüne) beteiligten sich, die niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Umwelt.

Man könne „wertfrei feststellen, dass nahezu die gesamte Region Wesermarsch gegen eine Vertiefung und Verbreiterung der Weser ist“, sagt Leenert Cornelius danach der taz, ein Grünlandbauer aus Butjadingen und Mitverfasser eines Offenen Briefs an Meyer und Lies.

Man kann wertfrei feststellen, dass nahezu die gesamte Region gegen eine Vertiefung und Verbreiterung der Weser ist

Leenert Cornelius, Bauer

„In der Wesermarsch lassen wir Landwirte in den Sommermonaten Wasser aus der Weser über ein System von Sielen bis in den letzten Graben ein“, sagt Vertiefungs-Kritiker Cornelius. „Genau in diesem Zeitraum sind die Salzgehalte im südlichen Bereich der Unterweser mit bis zu 20 Gramm Salz pro Liter besonders hoch.“ Weidebetriebe hätten vermehrt mit Vergiftungserscheinungen und aggressiven Rindern durch Hirnblutungen und Ödeme zu tun. „Der Zusammenhang zwischen einer veränderten Grabenökologie und dem Aussterben der Wiesenvögel ist überhaupt noch nicht untersucht“, sagt Cornelius.

Auch dass im Fall der Weservertiefung das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz greift, das reguläre Planfeststellungsbeschlüsse aushebelt, empört ihn: Das Kalkül eines Baugenehmigungsverfahrens nach diesem Bundesgesetz liege darin, „einerseits Klagebefugnisse zu nehmen, andererseits eine Mehrheit von Bundestagsabgeordneten ohne regionale Kenntnisse abstimmen zu lassen“.

Michael Kurz (SPD), Brakes Bürgermeister, sieht die Vertiefung positiv. Das Memorandum des Rates der Stadt zur Zukunft der Außen- und Unterweser von Mitte 2021 habe „auch heute noch Gültigkeit“, teilt er der taz mit. „Wasserbautechnische Maßnahmen“ zur Weiterentwicklung der Erreichbarkeit der bremischen und niedersächsischen Häfen für die internationale Schifffahrt seien „erforderlich“, steht in diesem Papier. Es gelte, dem BVWP „vollumfänglich gerecht zu werden“. Der Rat erwarte, dass die Verschlickung der Sandstrände entlang der Unterweser verhindert und der „Generalplan Wesermarsch“ umgesetzt werde – er tritt an, die Versalzung des regionalen Grabensystems zu reduzieren.

Kurz bezeichnet den „Dialog“-Auftakt in Brake als „konstruktiv, aber auch mit deutlich kritischen Stimmen“. Die Veranstaltung sei „ein erster guter Schritt“ gewesen. Land und Bund seien gefordert, Finanzmittel für die Umsetzung des Generalplans freizugeben.

Verschlickung schränkt Schiffbarkeit ein

„Miteinander zu reden hilft grundsätzlich immer“, sagt Axel Linneweber (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Butjadingen, auch sie ist am „Dialog“ beteiligt. Die Gemeinde sei „sicherlich einer der größten Verlierer“ bezüglich der Folgen der bisherigen Vertiefungen. Linneweber spricht von einer „massiven Verschlickung des Fedderwarder Priels und der daran angeschlossenen Häfen“, mehrere seien „bereits gänzlich verschwunden“. Der Kutterhafen in Fedderwardersiel stelle das „maritime Highlight“ der auf Tourismus ausgelegten Gemeinde dar. Aber: „Die Verschlickung und damit ständig weiter eingeschränkte Schiffbarkeit nimmt zunehmend dramatischere Züge an.“

Auch Sven Sonström, Sprecher des Landkreises Osterholz, klingt skeptisch: Der Landkreis habe „bereits in der Vergangenheit auf die möglichen Folgen einer Weservertiefung hingewiesen, für die Deichsicherheit, das Gewässersystem, den Naturhaushalt und die im Deichvorland wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebe“. Diese Belange müssten „intensiv untersucht werden“.

Vertreter der Industrie halten sich zur Vertiefung lieber zurück. Rieke Müller, Assistenz der Geschäftsführung von Steelwind Nordenham, einem Hersteller von Fundamenten für Offshore-Windkraftanlagen, teilt der taz mit, die Geschäftsführung äußere sich dazu nicht öffentlich. Der Titandioxid-Hersteller Kronos Titan, Nordenham, Nachbar von Steelwind, schweigt gleich ganz, trotz mehrfacher Anfrage. Ein Thema mit Konfliktpotenzial.

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