Streit um Untersuchungsausschuss: Verfassungsklage wegen Snowden
Die Opposition aus Grünen und Linken geht gemeinsam nach Karlsruhe. Die große Koalition will den Whistleblower nicht in Deutschland befragen.
BERLIN taz | Grüne und Linke geben nicht auf. Um Edward Snowden als Zeugen nach Deutschland zu holen, haben die beiden Oppositionsfraktionen jetzt gemeinsam das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. „Snowden ist der wichtigste Zeuge für den NSA-Untersuchungsausschuss“, sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz bei der Vorstellung der Klage in Berlin.
Die Lage ist verzwickt. Grundsätzlich ist der NSA-Ausschuss einig, dass Snowden als Zeuge angehört werden soll. Die Ausschuss-Mehrheit will Snowden aber in Russland hören. Snowden ist zwar nicht bereit, dort auszusagen, würde aber nach Deutschland kommen. Deshalb haben Linke und Grüne beantragt, Snowden explizit nach Berlin zu laden. Das hat die Ausschussmehrheit abgelehnt.
Hintergrund ist ein Gutachten der Bundesregierung vom Mai, in dem angekündigt wird, dass man Snowden auch auf Wunsch des Bundestags kein Aufenthaltsrecht in Deutschland geben werde. Ein Aufenthalt in Deutschland würde die deutsch-amerikanischen Beziehungen und damit das deutsche Staatswohl gefährden.
Linke und Grüne haben nun Organklage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Ausgearbeitet hat sie die renommierte Frankfurter Staatsrechtlerin Astrid Wallrabenstein.
Die Professorin wirft der Ausschussmehrheit von Union und SPD die Missachtung von Minderheitsrechten vor. Die Mehrheit habe die Anträge, Snowden „nach Berlin“ zu laden, „verschleppt“. Und die Bundesregierung habe Rechte des Untersuchungsausschusses verletzt, indem sie „ohne überzeugende Begründung“ eine Amtshilfe beim Aufenthaltsrecht verweigert. „Warum soll das deutsch-amerikanische Verhältnis weniger gestört sein, wenn Snowden in Moskau über die NSA aussagt?“, fragte Wallrabenstein.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht am Ende fordert, Snowden müsse zwingend in Deutschland aussagen. Traditionell mischt sich Karlsruhe nicht in die außenpolitischen Einschätzungen der Regierung ein. Die Kontrolldichte des Gerichts in der Außenpolitik ist sehr gering. Außerdem könnte die Klage gegen die Regierung schon unzulässig sein, weil bisher ja nur ein unverbindliches Gutachten vorliegt.
Erfolgsversprechender ist die Klage gegen die Ausschuss-Mehrheit, die erst gar nicht versucht hat, Edward Snowden nach Deutschland zu holen – obwohl dies nach derzeitigem Stand der einzige Weg ist, ihn anhören zu können. Allerdings kann auch hier nicht viel Konkretes herauskommen. Denn letztlich würde der Ausschuss doch am außenpolitischen Einschätzungsspielraum der Regierung scheitern. Der Bundestagsabgeordnete der Linken, André Hahn, sagte deshalb: „Es geht uns auch darum, ein Zeichen zu setzen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin