Streit um US-Gesundheitsreform: Abstimmung verschoben
Trump droht den republikanischen Kritikern, Obamacare vorerst beizubehalten, sollten sie der Reform nicht zustimmen. Noch am Freitag soll abgestimmt werden.
Der Präsident habe ausrichten lassen, „dass er morgen in jedem Fall eine Abstimmung haben will“, sagte der republikanische Abgeordnete Chris Collins nach einer Dringlichkeitssitzung der Fraktion im Kapitol. Den dort versammelten Abgeordneten hatte zuvor der Chef des Haushaltsbüros im Weißen Haus, Mick Mulvaney, Trumps Ultimatum mitgeteilt.
Collins gab anschließend weiter Mulvaneys Worte wider: „Wenn das scheitert, werden wir zu anderen Dingen als der Gesundheit übergehen.“ Dann gehe es mit „anderen Teilen seiner (Trumps) Agenda“ weiter und „Obamacare wird bestehen bleiben“.
Trump hatte zuvor einen herben Dämpfer hinnehmen müssen: In letzter Minute wurde im US-Repräsentantenhaus die Abstimmung über den von ihm unterstützten Plan zur Beseitigung der großen Gesundheitsreform Obamas verschoben. Das Votum über das als „Obamacare“ bezeichnete System soll nun am Freitag stattfinden.
Mehr Marktwirtschaft gefordert
Die Fraktionsspitze von Trumps Republikanischer Partei hatte sich zur Verschiebung der ursprünglich für den Abend angesetzten Abstimmung entschlossen, da sich weiterhin zu viele republikanische Abgeordnete der Gesetzesvorlage widersetzten. Damit fehlte die Mehrheit für den von der Fraktionsführung vorgelegten Plan. Er sieht vor, „Obamacare“ durch ein stärker marktwirtschaftlich ausgerichtetes Modell zu ersetzen.
„Obamacare“ war vor genau sieben Jahren in Kraft getreten. Das System wurde von den Republikanern von Anfang an vehement bekämpft. Über „Obamacare“ sind inzwischen 20 Millionen US-Bürger krankenversichert, der Anteil der Bürger ohne Krankenversicherung sank von 16 Prozent auf neun Prozent. Das republikanische Ersatzmodell sieht nun vor, die allgemeine Versicherungspflicht wieder abzuschaffen und die staatlichen Zuschüsse und Programme zu kürzen.
Moderaten Republikanern geht der Plan jedoch zu weit. Laut einer Schätzung des parteiunabhängigen Rechnungshofs des Kongresses (CBO) würde dadurch die Zahl der Bürger ohne Krankenversicherung im kommenden Jahr wieder um 14 Millionen steigen, bis zum Jahr 2026 um 24 Millionen.
Auf der anderen Seite gehen erzkonservativen Republikanern die Pläne nicht weit genug. Sie sehen darin eine bloße Abwandlung von „Obamacare“. Diese Gruppierung will über den vorliegenden Plan hinaus unter anderem eine Reihe obligatorischer Versicherungsleistungen wie Betreuung von Schwangeren und Müttern, Notaufnahme-Versorgung und Impfungen streichen.
Hektische Verhandlungen
Trump und der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, versuchten in hektischen Verhandlungen bis kurz vor dem ursprünglichen Abstimmungstermin, die widerspenstigen Abgeordneten zum Einlenken zu bewegen. Dabei übte der Präsident bereits zuvor starken Druck aus: Wenn das Projekt das Repräsentantenhaus nicht passiere, „dann werde ich mir Euch vorknöpfen“, warnte er am Dienstag bei einem Treffen der Fraktion.
Eine Zählung der „Washington Post“ am Donnerstagmittag ergab jedoch, dass sich 36 überwiegend konservative Republikaner dem Plan weiter widersetzten. Damit würde die Mehrheit klar verfehlt. Die Republikaner verfügen im Repräsentantenhaus über eine Mehrheit von 237 der 435 Sitze. Da derzeit fünf Sitze vakant sind, werden 216 Stimmen für das Gesetzesvorhaben gebraucht. Die oppositionellen Demokraten sind geschlossen dagegen.
Sollte das Projekt doch noch vom Repräsentantenhaus abgesegnet werden, wäre es bis zur Umsetzung aber noch ein weiter Weg. Als nächstes würde sich der Senat damit befassen, in dem die Republikaner eine Mehrheit von nur zwei Sitzen haben. Die Verhandlungen im Senat könnten sich bis in das nächste Jahr hinziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen