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Streit um SPD-Minister in Stuttgart„Überfordert!“ „Peinlich!“ „Heuchler!“

Die Opposition in Baden-Württemberg wirft zwei Ministern Überforderung vor und wollte sie entlassen sehen. Sie scheiterte nach einer heftigen Debatte.

Not amused: Ministerpräsident Kretschmann (Grüne). Bild: dpa

STUTTGART taz | Energisch fuchtelt Hans-Ulrich Rülke mit seinem Arm durch die Luft. „Eine Infamie“, schreit der FDP-Fraktionschef und dreht sich am Rednerpult in Richtung Regierungsbank um. Einige Abgeordnete klatschen, andere schreien gegen Rülke an. Dies war keine Sternstunde des Parlaments: Die Opposition im baden-württembergischen Landtag hat am Freitag mit gleich zwei Entlassungsanträgen versucht, die grün-rote Regierung zu attackieren. Nach einer teilweise äußerst emotionalen Debatte scheiterten jedoch beide Anträge an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit.

Zunächst hatten FDP und CDU am späten Donnerstagabend gemeinsam den Antrag eingereicht, Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer zu feuern. Am Freitagmorgen setzte die CDU noch eins drauf und forderte auch die Entlassung von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (beide SPD).

Die beiden Oppositionsführer Rülke und Peter Hauk (CDU) warfen Warminski-Leitheußer eine „enorme Unzuverlässigkeit bei der Ausübung der Geschäfte“ vor. Sie, die auch in den eigenen Reihen umstritten ist, sei überfordert, wenn es etwa um die konzeptionelle Arbeit gehe oder um die Zusammenarbeit mit dem eigenen Ministerium.

Heillos überfordert

Auch Schmid sei als Finanzminister „heillos überfordert“ und für die Schuldenpolitik verantwortlich, so Hauk. Warminski-Leitheußer habe bei der Bildungspolitik Öffentlichkeit und Parlament belogen. Das gleiche gelte für Schmid beim laufenden Schiedsgerichtsverfahren zum EnBW-Deal. Noch unter der alten CDU-Regierung hatte das Land vom französischen Staatskonzern EdF Anteile der EnBW zurückgekauft. Der Preis soll zu hoch gewesen sein. Nun will Grün-Rot einen Teil des Kaufpreises zurückverlangen.

Schmid selbst und SPD-Fraktianonschef Claus Schmiedel wiesen die Vorwürfe entschieden zurück. Die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann fragte, was aus der einst stolzen CDU Baden-Württembergs geworden sei. „Mir wäre so ein Antrag peinlich“, sagte sie.

Immer wieder lieferten sich die Abgeordneten in der Debatte verbal heftige Duelle und schrien sich teilweise regelrecht an. Besonders emotional wurde es, als Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erklärte, dass er wegen der überraschend gestellten Anträge eine Gedenkrede als Bundesratspräsident für die in der NS-Zeit verfolgten und ermordeten Sinti und Roma habe absagen müssen. Auf seine Bitte, die Anträge später zu stellen, sei die CDU nicht eingegangen. Kretschmann wurde daraufhin aus Oppositionsreihen unter anderem als „Heuchler“ bezeichnet.

Wäre am Freitag im Landtag eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande gekommen, hätte der Ministerpräsident seine Minister entlassen müssen. Die grün-roten Fraktionsreihen stimmten jedoch geschlossen dagegen.

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11 Kommentare

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  • JM
    J. Murat

    Tja, "Lennyf",

    Vielleicht solltest Du Dich erst einmal kundig machen bevor Du solch realitätsferne Thesen aufstellst.

    Allein in der vergangenen Legislaturperiode stellte die damalige Rote und Grüne Opposition drei Anträge auf Entlassung eines Ministers im Baden-Württembergischen Landtag:

    25.06.2008: Kultusminister Helmut Rau

    29.07.2009: Wirtschaftsminister Peter Frankenberg

    28.07.2010: Finanzminister Willi Stächele

     

    Eine der Aufgaben der Legislative ist die Kontrolle der Exekutive, auch wenn Du das anders siehst.

    Wenn Du meine Meinung zur derzeitigen Landesregierung hören willst:

    Kretschmann und Gall machen ihre Sache gut, die anderen sind untragbar.

  • U
    Unterschied

    Kann man mir vielleicht noch mal den Unterschiede zwischen CDU FDP und SPD Grüne erklären?

     

    Ich nehme diese Parteien als Blockparteien wahr:

     

    siehe auch

     

    Eurorettung

    PatriotEinsatz

    Beschneidung

     

    Die sind sich doch einig. Ich halte das alles für inszeniert, um der Bevölkerung Opposition bzw. Demokratie vorzuheucheln.

  • JM
    J. Murat

    Der Nils Schmid wurde von der Regierungskoalition über den grünen Klee gelobt während die GWL kaum erwähnt wurde. Sogar für Grün-Rot ist diese Person untragbar geworden.

    Als Reaktion hat sie übrigens ihren Sprecher entlassen.

    So wird das nichts, Gabi!

  • D
    Doroina

    @ Paul B.

     

    Frage: Wer hat denn gestern am lautesten gebellt??

     

    Und ich kann auch nicht erkennen, wo SPD und Grüne in Baden-Württemberg "den Beleidigten" spielen.

     

    In meiner Wahrnehmung treffen Ihre Beschreibungen schon viel eher auf die jetzigen Oppositionsparteien CDU und FDP zu, die mit "Krawallpolitik" versuchen, ihren grandiosen Bedeutungsverlust nach den letzten Landtagswahlen zu kompensieren. Substanziell war in deren Argumentation seither wenig.

     

    Und das dubiose Gebaren von Herrn Mappus in der EnBW-Sache (und nicht nur da) sei hier nur am Rande erwähnt ...

     

    Da muss man mit Stuttgart21 gar nicht kommen.

  • MM
    Müllers Meinung

    @Paul B: stimmt... getroffene Hunde bellen.

     

    Möge die CDU nie wieder so viel Macht in Baden Württemberg bekommen, wie sie hatte. Denn von Volksvertretung keine Spur (was im übrigen in D / weltweit mittlerweile für fast alle Parteien gilt, weil das System "Volksvertretung" erschwert.Wirtschaftsdenken vor Gesellschaft... naja aber wir werdens noch lernen. Bolivien scheint eine Ausnahme zu sein: http://wissen.dradio.de/nachrichten.59.de.html?drn:news_id=120932).

     

    Dass gleich 2 Minister nach einem Jahr regieren entlassen werden sollen zeugt doch eher davon, dass die CDU mit allen Mitteln versucht die bestehende Regierung zu diffamieren. Da sich aber der Blick auf solches Handeln im Volk verändert, und als "letztes rudern mit den Armen vor dem Ertrinken" wahrgenommen wird, lässt hoffen.

  • L
    Lennyf

    In diesem furchtbaren Stil haben die Grünen und SPD hier in Baden Württemberg nie Opposition betrieben. Die CDU und FDP können nicht verschmerzen das sie hier alle Wahlen verlieren. Sie reagieren wie ein waidwundes Tier, haben null Alternativen und machen reine Obstruktionspolitik wie die Republikaner in den USA. Ihren Kommentar hier eingeben

  • K
    Keilbachh

    Ganz so kann man es aus der Nähe nicht sehen. In Stuttgart liegen die Nerven bei der Opposition blank. Nach 58 Jahre Regierung und dem Desaster das sie hinterlassen hat ist die CDU und auch die FDP planlos. Und was ganz besonders weh tut ist - dass die Eltern in B-W mehrheitlich hinter der Schulpolitik der Regierung stehen. Es wird sicherlich noch schlimmer werden, wenn erst alle S21 Absprachen im Land ans Licht kommen.

  • R
    reblek

    "Schmid selbst und SPD-Fraktianonschef Claus Schmiedel..." - Was für ein Chef?

    "Immer wieder lieferten sich die Abgeordneten in der Debatte verbal heftige Duelle..." - Klar "verbal", wir sind ja nicht in der Ukraine.

    "... und schrien sich teilweise regelrecht an." - Immerhin nach einer Regel, das ist doch auch was.

  • BU
    b ulşl

    Dıe CDU ıst wirklich eine Partei auf dıe man ın Zukunft ganz gut verzichten kann.Nach Mama Merkel wird dıese Partei kaum noch über 15 % kommen.İhre Generatıon wird die letzte sein an irgendeiner Regıerung.

  • J
    Jürgen

    Also noch mal langsam zum Geniessen: Der CDU Spezi hatte einen illegalen EnBW deal gemacht, und die den Schweinstall zu Lasten der Bürger aufräumen pöbelt man dann an. Die Dreistigkeit der Bürgerlichen ist einfach klasse!

  • PB
    Paul B.

    Ja SPD und Grüne nun ist es mal umgekehrt. Sonst seit ihr es immer, die der Regierung, Dinge unterstellt und den Politikern Unfähigkeit unterstellen. Jetzt den Beleidigten spielen und so unrecht hat die Opposition nicht. Wie sagt man "Getroffene Hunde bellen" und getroffenen bellten sehr laut.