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Streit um RestitutionDer Welfenschatz und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird vorgeworfen, eine Raubgutrestitution zu verschleppen. Sie hatte Teile des „Welfenschatzes“ 1935 gekauft.

Besucher betrachten einen Teil des Welfenschatz im Kunstgewerbemuseum in Berlin Foto: Gregor Fischer/dpa/picture alliance

Berlin taz | Sakrale Kunst aus purem Gold bringt eine der wichtigsten Kultureinrichtungen Deutschlands in Erklärungsnot. Es geht um die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), eine öffentliche Einrichtung, die von Zuwendungen des Bundes lebt. Zum Preußen-Erbe zählt der Welfenschatz: 42 Goldschmiedearbeiten aus adeligem Besitz, die 1935 von Preußen gekauft wurden, bis zu 300 Millionen Euro wert. Aber ob dieser Kauf in der NS-Zeit rechtmäßig war oder ob nicht vielmehr die vorherigen Besitzer – jüdische Kunsthändler – dazu gezwungen wurden, ist strittig. Jetzt aufgetauchte Hinweise lassen eher Letzteres vermuten.

Für ein Restitutionsverfahren wäre die Beratende Kommission NS-Raubgut zuständig. Doch obwohl Bitten, sie anzurufen, offenbar seit April 2024 vorliegen, tat sich bisher nichts. Die SPK verweist auf „noch offene Fragen“, die es zuvor abzuklären gelte. Ansprüche mehrerer Antragsteller seien „nicht ausreichend“ geklärt worden, heißt es in einer Stellungnahme vom Dienstag.

Der Vorsitzende der Beratenden Kommission NS-Raubgut, Hans-Jürgen Papier, verweist hingegen auf die Verpflichtung der SPK, einer Anrufung der Kommission „unverzüglich“ zuzustimmen. Es liege bei Kulturstaatsministerin Claudie Roth (Grüne), dies auch durchzusetzen.

Claudia Roth soll Akteneinsicht gewähren

Schweres Geschütz gegen die Preußen-Stiftung feuern die Anwälte der möglichen Erben des Welfenschatzes ab. Die Stiftung würde „unter den Augen von Frau Roth“ eine Restitution „sabotieren“, heißt es aus der Kanzlei von Markus Stötzel. Der Anwalt beantragte Anfang der Woche bei der Kulturstaatsministerin Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu allen die Sache betreffenden Akten im Bundeskanzleramt und bei der SPK.

Schon einmal hat der Welfenschatz die Beratende Kommission beschäftigt. 2014 erklärte sie, der Verkauf 1935 sei nicht verfolgungsbedingt erfolgt. Doch inzwischen sind neue Dokumente aufgetaucht. Danach sollte die jüdische Mitbesitzerin Alice Koch vor einer Flucht aus Nazi-Deutschland in die Schweiz 1.155.000 Mark an „Reichsfluchtsteuer“ zahlen – Geld, das sie nur durch den Verkauf ihrer Anteile am Welfenschatz aufbringen konnte.

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5 Kommentare

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  • "Ansprüche mehrerer Antragsteller seien „nicht ausreichend“ geklärt worden, heißt es in einer Stellungnahme vom Dienstag."

    Gut, dass es mehrere Antragsteller sind die wie ich hoffe Kinder und Enkelkinder haben, welche (wenn es zu lange dauert) die Ansprüche erben. Ich will unter keinen Umständen von dem Unrecht und dem Leid das wir jüdischen Menschen zugefügt haben und das zumindest teilweise wieder umzukehren ist profitieren. Die Bürde, dass das Meiste und Schrecklichste nicht umkehrbar ist, ist furchtbar genug.

    Ich hoffe, Frau Roth macht solche Ansprüche zur Chef:innensache und kümmert sich persönlich darum.

  • Ich habe mich mal ein bisschen informiert, Teile des Welfenschatzes sind ja unter anderem auch in US-amerikanischen Museen in Cleveland und Chicago ausgestellt. Die gegenwärtigen internationalen Restitutionsforderungen im Hinterkopf frage ich mich, ob die Bundesrepublik da nicht theoretisch auch Forderungen nach Restitution stellen kann?

  • Alle Verkäufe nach 1933 von Verfolgten können grundsätzlich als erzwungen angesehen werden und die Gegenseite müsste beweisen, dass kein Zwang erfolgt ist. Allerdings hat die Gesellschaft als solche auch das Recht, Kulturgüter von hohem Wert in den Gemeinbesitz zu übertragen. Immerhin wurden sie in der Vergangenheit ebenfalls durch Ausbeutung, Unterdrückung und Zwang geschaffen und sollten heute allen zum Anschauen zur Verfügung stehen. Im konkreten Fall wäre eine finanzielle Entschädigung die faire Lösung.

  • Kleine Korrektur:



    "Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird vorgeworfen, eine Raubgutrestitution zu verschleppen. Sie hatte Teile des „Welfenschatzes“ 1935 gekauft."

    Die SPK wurde erst 1957 gegründet. Der Vorwurf kann also in dieser Form nicht stimmen.

    • @Oliver Korn-Choodee:

      Der Freistaat Preußen, letzte rote Bastion in Weimarer Republik wurde durch Kabinett der Barone, Herrenreiter, Reichskanzler Baron Franz von Papen (1879-1969 )per sog Preußenschlag 20 Juli 1932 unter Zwangsverwaltung gestellt, die sog Preußen Koalitionsregierung unter SPD Ministerpräsident Otto von Braun abgesetzt, von Papen berief sich selber mit Zustimmung Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934) zum Reichskommissar formal weiter bestehenden Freistaates Preußen. Ab 11.April 1933 war Herrmann Göring (189w-1946) neben anderen Ämtern wie Reichstagspräsident, Ministerpräsident unter Zwangsverwaltung stehend Freistaates Preußen als treibende Kraft Teile Welfenschatzes 1935 aufzukaufen, sich selber europaweit als Kunstsammler einen Namen zu machen in einer Melange aus Einkäufer und Kunsträuber. der ab 1939 ganze DR Eisenbahnwaggon voll an Raubkunstgut aus deutschbesetztem Europas nach Walhall in Berliner Schorfheide abtransportieren ließ.

      Erst mit Kontrollratsgesetz Nr. 46 („Auflösung Staates Preußen“) vom 25. Februar 1947 wurde der noch formal bestehende Staat Preußen - seine Zentralregierung, alle nachgeordneten Behörden - von den vier alliierten Besatzungsmächten aufgelöst