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Streit um Pinneberger Antifa-CaféCDU will lieber keine Politik

In Pinneberg möchte die CDU politische Veranstaltungen in städtischen Jugendeinrichtungen verbieten. Das Antifa-Café hätte dann keine Räume mehr.

Der CDU ein Dorn im Auge: Antifa-Flagge bei einer Demo in Hannover Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Stadtratsfraktion der CDU in Pinneberg möchte, dass nur ein Wort geändert wird: In der Benutzungsordnung für städtische Jungendeinrichtungen soll unter dem Paragrafen, der die Nutzergruppen betrifft, künftig­ nicht mehr stehen, dass „parteipolitische“­ Veranstaltungen untersagt sind. Es sollen keine „politischen“ Veranstaltungen mehr stattfinden dürfen. Das steht in einem Änderungsantrag, der am 10. März im Ausschuss für Kultur, Sport und Jugend der Pinneberger­ Ratsversammlung auf der Tagesordnung­ steht.

Die Christdemokraten bilden mit 14 Sitzen die stärkste Fraktion im Rat. Mit der FDP (drei Sitze) und den „Bürgernahen“ (vier Sitze) könnten sie eine Mehrheit für den Antrag zustande bringen. SPD und Grüne haben je zehn Sitze.

CDU-Ratsfrau Natalina Di Racca-Boenigk steht zu dem Antrag. „Wenn schon parteipolitische Veranstaltungen untersagt sein sollen, warum sollten dann nicht politische Veranstaltungen untersagt werden?“, sagt sie auf Anfrage der taz.

Es wäre eine kleine Änderung, mit großen Auswirkungen. Mit dem Beschluss wäre dem „Antifa-­Café“­ die Nutzung der Räumlichkeiten im örtlichen Jugendzentrum „Geschwister-­Scholl-Haus“­ untersagt – und auch jegliche politische Bildung.

Alter Streit ums „Antifa-Café“

Seit Monaten läuft in der Kreisstadt in Schleswig-Holstein eine Diskussion um das „Antifa-Café“, das ein loser Zusammenschluss von Jugendlichen in dem Jugendzentrum veranstaltet. Im November vergangenen Jahres hatte die parteilose Bürgermeisterin Urte Steinberg der „Café“-Gruppe über Mitarbeiter der Zentrums mitteilen lassen, dass das Café nicht weiter mit dem Zusatz „Antifa“ in den Räumen erwünscht sei und dort nicht mehr stattfinden könnte, wenn der Name nicht geändert würde.

Die Androhung des Rauswurfes überraschte die Gruppe. Das „Café“ läuft seit Monaten gut. Bis zu 50 junge Menschen besuchten die Veranstaltungen. In den Räumen an der Bahnhofstraße hörten sie beispielsweise Vorträge von „Zebra e. V.“, einer Beratungsstelle für Opfer von rechter Gewalt, oder Crewmitgliedern der „Iuventa – Jugend rettet“, die über das Sterben im Mittelmeer berichteten.

„Der Zuspruch ist wirklich gut“, sagte ein Teammitglied der taz. Der Zulauf sei erfreulich, gerade wegen der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung nach rechts. Umso unverständlicher war für die Gruppe, dass sie die Räume eventuell nicht mehr nutzen sollte.

Kaum hatte die „Café“-Gruppe den angedrohten Rauswurf öffentlich gemacht, sprach die Stadtverwaltung von einem Missverständnis. Rathaussprecherin Maren Uschkurat sagte der taz im November, dass ein Rauswurf gar nicht beabsichtigt sei. Irgendwo zwischen Bürgermeisterin und Mitarbeitern im Haus sei etwas nicht richtig kommuniziert worden. Es sei „grundsätzlich die Frage“ aufgekommen, „ob der Name ‚Antifa-Café‘ möglicherweise negativ behaftet sein könnte wegen G20 und den linksextremen Krawallen.“ Deshalb sei die Gruppe angesprochen worden, „ob nicht ein anderer Name gewählt werden könnte“, sagte Uschkurat.

Die „Café“-Gruppe entschied, den Namen der Veranstaltung nicht zu ändern und verwies dabei auf die Namensgeber des Jugendzentrums: Sophie und Hans Scholl waren Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose und wurden 1943 von den Nazis hingerichtet.

Die CDU stellte den Antrag, nachdem die Junge Union die Räume im Jugendzentrum nicht nutzen durfte

Einen Bezug zur Debatte um das „Antifa-Café“ will Ratsfrau Di Racca-Boenigk in dem CDU-Antrag aber nicht sehen. Auf Nachfrage der taz weicht sie aus, sagt dass der Antrag erfolgt sei, nachdem die CDU-­Jugendorganisation Junge Union die Räume in dem Jugendzentrum nicht nutzen durfte.

Der Antrag der CDU könnte jedoch das Kinder- und Jugendhilfegesetz unterlaufen, sagt Melanie Groß, Professorin für Erziehung und Bildung an der Fachhochschule Kiel. Denn darin ist festgelegt, dass „außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung“ angeboten werden soll.

Eine zentrale Aufgabe der Jugendarbeit­ und der sozialen­ Arbeit sei die politische Bildung, sagt Groß. „Vor dem Hintergrund des erstarkenden Autoritarismus und Rechtsrucks in der Gesellschaft müssen demokratische Akteur*innen hier besonders aufmerksam und sensibel­ sein und dürfen solche Anträge nicht unterstützen.“

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