Streit um Nazi-Symbol im Kirchturm: Hitler-Glocke darf wieder bimmeln
Die Herxheimer Kirchenglocke aus NS-Zeit wird nicht abgehängt. Eine Tafel und Vorträge sollen in der Pfalz an die Geschichte erinnern.
„Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ steht auf der Herxheimer Glocke, darunter prangt ein großes Hakenkreuz. Seit gestern darf sie wieder bimmeln und das Geläut der evangelischen St. Jakobs-Kirche wieder zu einem c-Moll-Dreiklang vervollständigen. So hat es der Gemeinderat des 800-Seelen-Ortes gestern mit zehn zu drei Stimmen entschieden. Vom Publikum gab es Applaus für den Beschluss. Viele Herxheimer wünschen sich offenbar endlich Ruhe. Kann sein, dass sie sich da täuschen.
Seit neun Monaten rauscht eine Debatte über Herxheim hinweg; ein 800-Einwohner-Örtchen gleich in der Nähe der Pfälzer Stadt Bad Dürkheim. Eine ehemalige Organistin hatte auf die Hakenkreuz-Glocke im Turm bundesweit aufmerksam gemacht. Inzwischen ist ein Bürgermeister wegen verharmlosender Äußerungen zur Nazizeit zurückgetreten – und das Weindorf sorgt sich um seinen Ruf.
Auch der neue Bürgermeister, Georg Welker, will die Glocke hängen lassen, sieht sie aber als Mahnmal. Sigrid Peters, die die Debatte ins Rollen gebracht hat, findet das bigott. Sie sei entsetzt über den Beschluss der Gemeinderäte, sagt sie. Die Glocke sei zu Ehren eines Massenmörders gegossen worden, sagt sie. Peters will sie ins Museum verbannen. Sie sagt den seltsamen Satz: „Der Ort muss sich von der Glocke befreien.“
Befreiung von „unbequemen Denkmälern“ sei nicht der richtige Weg, befindet die Glockenbeauftragte der evangelischen Landeskirche in einem Gutachten, das der Rat als Grundlage für seine Entscheidung genommen hat. Deshalb wird eine Tafel am Kirchturm angebracht, die auf die im Turm verborgene Glocke und ihre Geschichte hinweist. Außerdem sind regelmäßige Diskussionen und Vorträge zur Nazi-Vergangenheit geplant.
Im vergangenen Jahr war auf dem Höhepunkt der Glockendebatte die NPD in Herxheim aufmarschiert und forderte, die Glocke hängen zu lassen. Nehmen die Herxheimer den Beschluss von gestern Abend ernst, verhilft ausgerechnet der Verbleib der Hakenkreuz-Glocke dem Weinort nun zu einer Erinnerungskultur, die NPD wie auch AfD lieber heute als morgen abschaffen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!