Streit um Migrationspolitik: Zugeständnisse der grünen Spitze
Auf dem Parteitag stritten die Grünen um Migrationspolitik. Die Einigung soll den Spagat schaffen: Zwischen Menschenrechten und Verschärfungen.
Bis in letzter Minute wurde versucht, möglichst viele davon zu einen. Der Bundesvorstand sei den Kritiker*innen dabei mitunter deutlich entgegengekommen, hört man. Offenbar war die Sorge groß, die Abstimmungen zu verlieren. Marquardt spricht von „spannenden und sinnvollen Ergänzungen“. Was genau am Ende beschlossen wurde, ging in Karlsruhe allerdings unter, weil vor allem ein Antrag der Grünen Jugend im Fokus stand, der am Ende deutlich scheiterte. Knapp unterlag der Vorstoß, den Titel zu verändern. Aus „Humanität und Ordnung“ sollte „Humanität und Menschenrechte“ werden.
Zahlreiche andere Änderungsanträge der Kritiker*innen aber wurden ganz oder in veränderter Form übernommen, inzwischen liegt der Beschluss vor. Einige von ihnen hat Julian Pahlke, heute Bundestagsabgeordneter, früher Seenotretter, eingebracht. „Mit dem Beschluss bin ich jetzt sehr zufrieden“, sagte er der taz.
Spagat zwischen harten Maßnahmen und Menschlichkeit
Unter dem Titel „Humanität und Ordnung: für eine anpackende, pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik“ versucht das Papier weiterhin einen Spagat: Es betont die Menschenrechte und das Streben nach einer humanitären Geflüchtetenpolitik – und bekennt sich auch zu restriktiven Maßnahmen. Rausgefallen aus dem Papier ist nun etwa ein Satz, der besagte, dass die Flüchtlingszahlen runter müssen, wenn die Kapazitäten erschöpft sind.
Kritiker*innen waren der Ansicht, damit werde der rechte Diskurs bedient. Hinzugekommen sind ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung, eine Ablehnung des Konzepts der sicheren Herkunftsstaaten und von Abschiebungen von Jesid*innen in den Irak. Ebenso die Forderung nach einer engen parlamentarischen Kontrolle der europäischen Grenzschutzagentur Frontex auf europäischer und nationaler Ebene.
Thematisiert werden auch die Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS. Dazu heißt es jetzt: „Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass weiter Haftlager wie Moria an den Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden verletzten.“ Viele befürchten genau das, wenn sich die Reform durchsetzt.
Auch sagen die Grünen zu, auf allen Ebenen für Verbesserungen bei der GEAS-Reform kämpfen. Das Ergebnis soll gemeinsam bewertet werden. „Unsere jeweiligen Positionierungen zu den einzelnen Rechtsakten werden wir davon abhängig machen, ob unter dem Strich (…) Verbesserungen stehen.“
Kritiker*innen meinen, damit könne am Ende auch ein Nein stehen, auch wenn das wohl eher unrealistisch ist. „Die Bundespartei hat sich dafür ausgesprochen, die Rechte von Geflüchteten zu unterstützen“, sagt Pahlke. „Das ist gerade jetzt wichtig, wenn Konservative das Grundrecht auf Asyl angreifen und mit völkerrechtswidrigen Ideen um sich werfen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“