Streit um Leiharbeit: Zahnloses Gesetz
Der Gesetzentwurf von der Leyens zur Zeitarbeit erntet harte Kritik. Andrea Nahles: "Das ist nichts wert". Und die Stahlkocher fordern Lohngleichheit für Leiharbeiter.
BERLIN taz | Im Aufschwung betrifft jede dritte Neueinstellung die Zeitarbeit. Der Streit um die Bedingungen in der Branche flammt daher jetzt wieder auf. Der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Einschränkung der Leiharbeit stößt auf harte Kritik. Die Gewerkschaften kündigten eine Protestwelle auch gegen Missbrauch in der Zeitarbeit an. Bei den Tarifverhandlungen der Stahlkocher am Montag forderte die IG Metall für Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung wie für die Stammbelegschaft.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte am Montag zum Entwurf eines "Gesetzes zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung" aus dem Hause von der Leyens: "Das ist nichts wert". Von der Leyen reagiert mit dem Entwurf auf Vorkommnisse bei der Drogeriekette Schlecker. Der Konzern hatte Arbeitnehmer entlassen und als Zeitarbeiter zu geringeren Löhnen beschäftigt. Laut Gesetzentwurf soll dieser "Drehtüreffekt" künftig untersagt sein - allerdings nur bei Beschäftigten, die zuvor bereits in der Firma tätig waren. Neubeschäftigungen von betriebsfernen Personen hingegen kann ein Unternehmen auch künftig zu Zeitarbeitslöhnen vornehmen.
Durch den Entwurf blieben die meisten Probleme der Branche "ungelöst", rügte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Olaf Scholz. Scholz fordert eine Regelung, nach der Leiharbeiter in kurzer Zeit im Betrieb den gleichen Lohn bekommen wie die Stammbelegschaft. Auch der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, spricht sich für gleiche Löhne aus. Bisher werden die Arbeitnehmer zumeist nach den Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche entlohnt, die schlechtere Entgelte vorsehen als jene der Stammbelegschaften.
In den Tarifverhandlungen für die Stahlbranche, die am Montag begannen, fordert die IG Metall für die Leiharbeiter den gleichen Tariflohn wie für die Festangestellten im Betrieb. In der Metallbranche gibt es bereits einige Unternehmen, die ihren Zeitarbeitern durch Betriebsvereinbarungen eine annähernd gleiche Bezahlung bieten wie den Stammbelegschaften, sagte Jörg Köther, Sprecher der IG Metall in Frankfurt.
Bei BMW beispielsweise werden die Leiharbeiter nach dem Tarifvertrag der Metallindustrie entlohnt, bekommen allerdings nicht die übertariflichen Zuschläge der Stammbeschäftigten, erklärte BMW-Sprecher Michael Rebstock. Man habe großes Interesse daran, dass die Zeitarbeitnehmer so behandelt werden, "dass sich keine allzu großen Diskrepanzen auftun" zu den Stammbeschäftigten. Auch in der Zeitarbeit gebe es inzwischen Personalengpässe. Der Entleihbetrieb spart durch den Einsatz von Zeitarbeitnehmern nicht nur Krankheitskosten und das Entgelt für Feier- und Urlaubstage. Vor allem dient die Zeitarbeit der Flexibilisierung, also der Anpassung des Personalstandes an die jeweilige Auftragslage, ohne dass teure Kündigungen oder aufwendige Neueinstellungen notwendig werden. "Wir stellen uns darauf ein, dass wir noch flexibler werden", sagte Rebstock.
Eine Studie der Techniker Krankenkasse ergab allerdings, das Leiharbeitnehmer die Arbeitsplatzunsicherheit und auch die fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten als große gesundheitliche Belastung empfinden.
In den Zeitarbeitsunternehmen selbst herrscht vor allem Sorge vor einer möglichen Konkurrenz aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, wenn im Mai kommenden Jahres die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland kommt. Um das Unterschreiten der bisher geltenden Tarifverträge in der Zeitarbeit durch ausländische Verleihfirmen zu unterbinden, fordern sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeber einen verbindlichen Mindestlohn für die Branche. Die Bundesarbeitsministerin lehnt eine solchen Mindestlohn bislang ab.
Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, kündigte Protestaktionen der Gewerkschaften für den Herbst an. "Wir brauchen endlich Mindestlöhne, die Eindämmung der Leiharbeit und des Niedriglohnsektors", erklärte Sommer. Im November sind größere Demonstrationen in mehreren deutschen Städten geplant, auch gegen die "unsoziale Politik der Bundesregierung", sagte Sommer.
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