Streit um Hamburgs neues Jugendgefängnis: „Eine echte Fehlplanung“

Linken-Politiker Martin Dolzer und Sozialwissenschaftler Bernd Maelicke kritisieren die Architektur des neuen Jugendknasts Billwerder.

Ein Gitter verdeckt ein Notfausgangs-Schild.

Wohlfühlen unmöglich: vergittertes Hinweisschild im Jugendknast in Neumünster Foto: Carsten Rehder/dpa

HAMBURG taz | Als „riesige Chance“, eine moderne Anstalt zu schaffen, hatte der Grüne Justizsenator Till Steffen Ende Juli die Pläne für das neue Jugendgefängnis in Billwerder vorgestellt. Doch der 164-Millionen-Bau an der Autobahn stieß sofort auf Kritik, weil er – laut Plan – so verdichtet sein wird. Die vier zukünftigen Hafthäuser gehen von einem 250 Meter langen Mega-Flur ab – Magistrale genannt. Die V-förmigen Trakte enthalten Abteilungen mit 24 Haftplätzen, unterteilt in zwei Wohngruppen.

Ein Luftbild zeigt: Die Bauweise ähnelt stark dem erst 2015 fertiggestellten Untersuchungsgefängnis in Augsburg-Gablingen. Die V-Form soll explizit verhindern, dass die Gefangenen miteinander kommunizieren.

So ein Konzept, in dem es baulich vorrangig um Kontrolle geht, sei als U-Haft für Erwachsene verständlich, sagte Sozialwissenschaftler Bernd Maelicke der taz im Juli. Doch als Jugendanstalt, in der Jugendliche im Schnitt zwei Jahre verbringen, sei dies eine „echte Fehlplanung“. Dadurch angeregt hakte nun der Linke-Justizpolitiker Martin Dolzer mit einer Anfrage nach, warum der Senat so plant.

In der Antwort heißt es, man hätte sich nicht an Augsburg orientiert. Allein die Tatsache, dass beide Baukörper über so eine Magistrale verfügen, deute nicht darauf, dass die Hamburger Jugendanstalt identisch mit der Augsburger sein werde. Augsburg sei mit 600 Haftplätzen größer, die vier Hafthäuser hätten je vier Ebenen, in Hamburg dagegen nur zwei oder eine. Zudem gebe es in Augsburg mehr Treppenhäuser, in Hamburg werde darauf bewusst verzichtet, da Aufgänge Raum für gewalttätige Übergriffe böten. Deshalb sei die Magistrale zweigeschossig, alle Ebenen seien so zu erreichen.

Luft wie im Kaufhaus

Dolzer überzeugt das nicht: „Eine 250 Meter lange Magistrale ist Unfug.“ Es sei falsch, als Hauptkriterium zu gucken, dass es keine unkontrollierten Räume gibt. „Die finden sich sowieso immer.“ Wie im Rechtsausschuss mitgeteilt worden sei, solle es nur kippbare Oberfenster mit Gitter geben und eine Klimaanlage wie im Kaufhaus. Der Linke fürchtet, dass dies „nicht förderlich ist für das Wohlbefinden“ und dass die jungen Menschen „einen Rappel kriegen“. Besser als klimatisierte Räume sei Bewegung an der frischen Luft.

Das alte Jugendgefängnis auf der Elbinsel Hahnöversand besteht aus 38 Einzelgebäuden und 7,5 Kilometer Weg dazwischen. Martin Dolzer hat es kürzlich besucht und sieht auch dort Verbesserungsbedarf, etwa durch mehr Bildungsangebote und Traumatherapeuten.

Die Zahl der dort in U-Haft und Strafhaft sitzenden Jugendlichen ist seit 2016 steil gestiegen. Auffällig ist, dass die Zahl der U-Häftlinge 2017 und 2018 in die Höhe schoss. Zudem gab es im Mai allein 18 junge Menschen, die dort auch saßen, weil sie keinen Wohnsitz hatten. Bei seinem Besuch habe Dolzer den Eindruck gewonnen, dass dort unbegleitete junge Flüchtlinge wegen Bagatelldelikten einsitzen und verwahrt würden. Doch die Stadt schreibt auf Dolzers Anfrage, sie führe weder zu Bagatelldelikten noch zum Aufenthaltsstatus eine Statistik.

Martin Dolzer, Linksfraktion

„Eine 250 Meter lange Magistrale ist Unfug. Unkontrollierte Räume finden sich sowieso immer“

Die 2017 und 2018 gestiegenen Haftzahlen jedoch nimmt Rot-Grün zum Anlass, den neuen Jugendknast viel größer zu planen. Statt ursprünglich geplanten 152 soll es gleich 200 Plätze im geschlossen Jugendvollzug geben. Dolzer nennt das „zynisch“. Die Jugendkriminalität geht zurück, die Zahl der Tatverdächtigen sank 2018 gegenüber 2008 um 22 Prozent.

Für Dolzer schlägt der Senat die falsche Richtung ein. Besser wäre es laut dem Linken, am Standort Hahnöversand zu bleiben, dort einige Häuser neu zu bauen, also kleine Wohnbereiche und viel offenen Vollzug zu ermöglichen. „Leider fehlt die Bereitschaft, darüber nachzudenken“, sagt er. Die Linke hofft auf die im September geplante Anhörung im Justizausschuss. Dort ist eine Expertin aus Tschechien geladen, die gute Konzepte habe für „modernen Vollzug mit menschenfreundlicher Architektur.“

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