Streit um Geld für Krebsmedikamente: Rückerstattung möglich

Jahrelang zahlten Krebspatienten zu Unrecht Steuern für ihre Chemotherapie. Der BGH urteilt, diese müssen zurückerstattet werden, allerdings nicht in voller Höhe.

Auf einem Tisch liegen Tablettenpackungen, ein Fieberthermometer und eine Tasse.

Früher mussten Krebspatient*innen tausende Euro an Steuern für ihre Medikamente zahlen Foto: dpa

KARLSRUHE dpa | Im Streit mit Kliniken um zu hohe Rechnungen für Krebspatienten können die privaten Krankenkassen grundsätzlich einen Teil des Geldes für ihre Versicherten zurückfordern. Es müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, wie aus einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorgeht, das am Mittwoch in Karlsruhe verkündet wurde.

Betroffen sind sogenannte Zytostatika zur ambulanten Chemotherapie, die Krankenhaus-Apotheken individuell anmischen. Dafür wurden früher 19 Prozent Umsatzsteuer fällig – bis der Bundesfinanzhof 2014 klarstellte, dass solche Medikamente von der Steuer befreit sind.

Die Versicherten haben also zu viel bezahlt, die Versicherungen zu viel erstattet. Dabei kann es bei den teuren Medikamenten schon im einzelnen Fall um mehrere Tausend Euro gehen. Die Kliniken wollen sich das Geld aber nicht vom Finanzamt zurückholen. Bundesweit laufen deshalb zahlreiche Prozesse. Die vier in Karlsruhe verhandelten Verfahren seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte die Vorsitzende Richterin Karin Milger. Bisher wurde in den unteren Instanzen sehr uneinheitlich geurteilt. Jetzt gibt der BGH eine Linie vor.

Das Problem mit der Abrechnung betrifft auch die gesetzlichen Kassen. Sie streiten parallel vor den Sozialgerichten um Rückerstattung. Am Bundessozialgericht sind dazu bereits zwei Revisionen anhängig. Eines der Verfahren könnte noch im ersten Halbjahr 2019 entschieden werden.

Kein Anspruch auf volle Summe

Für die privaten Krankenversicherungen (PKV) urteilten die obersten Zivilrichter des BGH nun, dass den Rückforderungen grundsätzlich nichts im Weg steht. Insbesondere können sich die Kliniken nicht darauf berufen, dass ihnen ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand entstehe. Dafür gebe es schließlich eigene Abteilungen, sagte Milger. Allerdings haben die Versicherer keinen Anspruch auf die volle Umsatzsteuer. Das hat damit zu tun, dass den Kliniken bei der Rückabwicklung mit dem Finanzamt auch ein Vorsteuerabzug für die eingekauften Herstellerstoffe verloren geht. Man kann also nicht einfach den Nettopreis ohne Umsatzsteuer ansetzen. Die Verluste für die Krankenhäuser müssen bei der Rechnung mitberücksichtigt werden.

Noch komplizierter wird es bei bestimmten Kliniken, denen deshalb sogar hohe Nachzahlungszinsen drohen. Diese Konstellation wäre möglicherweise rechtlich anders zu bewerten. Das will der BGH aber davon abhängig machen, ob die Finanzämter diese Zinsen tatsächlich mit harter Hand eintreiben oder gewisse Spielräume nutzen. Deshalb konnte der Senat keines der Verfahren abschließend entscheiden. Die Land- und Oberlandesgerichte müssen noch klären, wie hoch die Vorsteuerabzüge waren und wie es mit den Zinsen aussieht.

Aus diesem Grund lässt sich auch noch nicht sagen, wie stark die Versicherer von dem BGH-Urteil profitieren werden. Der PKV-Verband hatte vor der Verkündung geschätzt, dass branchenweit mehrere Millionen Euro auf dem Spiel stehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die in ihre Rechnung die gesetzlichen Kassen einbezieht, war von einem dreistelligen Millionenbetrag ausgegangen. Diese hohen Summen dürften durch die Einschränkungen, die das Karlsruher Urteil enthält, am Ende aber eher nicht zustandekommen.

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