Streit um Entschädigungen wegen NS-Verbrechen: Deutschland klagt gegen Italien
Ein IGH-Urteil zog 2012 einen Schlussstrich. Doch Italiens Justiz hat auch danach neue Entschädigungsurteile gegen Deutschland gefällt. Berlin will deren Annullierung.
![Internationaler Gerichtshof in Den Haag in einer Weitwinkelperspektive Internationaler Gerichtshof in Den Haag in einer Weitwinkelperspektive](https://taz.de/picture/5533514/14/Internationaler-Gerichtshof-1.jpeg)
Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte vor zehn Jahren nach einem langen Rechtsstreit geurteilt, dass Deutschland italienische Militärinternierte und andere italienische NS-Opfer nicht individuell entschädigen müsse. Es untermauerte damit den Rechtsgrundsatz der Staatenimmunität, wonach die von Privatklägern in Italien erstrittenen Urteile unwirksam sind.
Trotz des IGH-Urteils hätten italienische Gerichte aber „seit 2012 eine beträchtliche Anzahl von neuen Ansprüchen gegen Deutschland unter Verletzung der souveränen Immunität Deutschlands erhoben“, heißt es in dem Antrag Berlins.
Die Bundesregierung bezog sich dabei insbesondere auf ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2014, das „individuelle Klagen von Opfern von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen souveräne Staaten“ zulässt. Dieses Urteil sei „in bewusster Verletzung des Völkerrechts und der Pflicht Italiens ergangen, einem Urteil des wichtigsten Rechtsorgans der Vereinten Nationen nachzukommen“, heißt es in der Klageschrift.
Nach Angaben des IGH spricht die Klageschrift von „mindestens 25 neuen Klagen“ gegen Berlin. In mindestens 15 Verfahren seien „Ansprüche gegen Deutschland im Zusammenhang mit dem Verhalten des Deutschen Reichs während des Zweiten Weltkriegs erhoben und beschlossen“ worden.
Die Klageschrift fordert eine Verurteilung Italiens, weil es widerrechtlich „Zwangsmaßnahmen gegen deutsches Staatseigentum in Italien“ ergriffen oder angedroht habe. Davon betroffen seien unter anderem das Deutsche Archäologische Institut Rom, das Goethe Institut, das Deutsche Historische Institut sowie die Deutsche Schule in Rom. Bis zu einer Grundsatzentscheidung des Gerichtshofs dürfe keines der aufgeführten Objekte „Gegenstand einer öffentlichen Versteigerung sein“.
Italien müsse dafür sorgen, dass alle von den Gerichten getroffene Entscheidungen für unwirksam erklärt werden. Zudem müsse es für alle durch die Verletzung der Staatenimmunität entstandenen Schäden aufkommen.
Die Bundesregierung argumentiert, dass die Entschädigungsfrage nach dem Krieg im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommen gelöst worden sei. Sie hatte den IGH Ende 2008 angerufen, um prüfen zu lassen, ob in Italien gefällte Urteile mit dem Völkerrecht vereinbar sind. Diese Urteile bezogen sich auf Taten, die zwischen September 1943 und Mai 1945 während der deutschen Besatzung in Italien begangen worden waren.
Der IGH mit Sitz in Den Haag wurde 1946 gegründet, um Streitigkeiten zwischen Staaten zu schlichten. Seine Urteile sind bindend und können nicht angefochten werden. Allerdings stehen dem UN-Gericht keine Instrumente zur Verfügung, um eine Umsetzung seiner Urteile durchzusetzen.
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