Streit um EU Lieferkettengesetz: Menschenrechte vertagt
Der Rat hat die Abstimmung zu Unternehmenspflichten in Lieferketten verschoben. Die FDP wirbt in der EU für ein Scheitern der Regeln.
Die Richtlinie würde Unternehmen zur Einhaltung und Überprüfung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang der Lieferkette verpflichten. Nach Deutschland und einigen kleineren Ländern hat jetzt auch die rechte Regierung von Italien einen Rückzieher ihrer Zustimmung zum ausgehandelten Gesetz signalisiert. Damit ist die qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat gefährdet – die Richtlinie wäre gekippt. Der belgische Vorsitz verschafft nun Zeit bis Mittwoch zur Einigung.
Grund für die Zitterpartie ist die FDP. In letzter Minute kündigten das FDP-Präsidium und dann Bundesfinanzminister Christian Lindner sowie Justizminister Marco Buschmann an, der Richtlinie nicht zustimmen zu wollen. Als Grund nannten sie vor allem „bürokratische Hürden“ für Unternehmen. Buschmann hatte den Text zuvor in Brüssel mitverhandelt.
Gespräche innerhalb der Ampel konnten keine Einigung erzielen, sodass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vergangene Woche bekannt gab, dass Deutschland sich bei der Abstimmung im Rat enthalten werde, was einer Ablehnung gleichkommt.
Buschmann wirbt bei EU-Ländern um Ablehnung der Richtlinie
Die Blockade der FDP geht jedoch darüber hinaus. In einem Brief, der zuvor an deutsche Wirtschaftsverbände ging, informiert Buschmann die EU-Kommission und andere Regierungen, dass das deutsche Justizministerium die Richtlinie ablehnt, und appelliert an seine Amtskolleg*innen, dagegen zu stimmen.
Das Verhalten der FDP sorgt für Ärger bei den Koalitionspartnern. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) etwa kritisierte, dass Deutschlands Verlässlichkeit in der EU auf dem Spiel stehe: „Wenn wir unser einmal in Brüssel gegebenes Wort brechen, verspielen wir Vertrauen.“
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, verteidigte den liberalen Vorstoß gegenüber der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag. Sie betonte, Verhandlungen wären ergebnisoffen geführt worden, und warf SPD und Grüne „ein grobes Foul“ vor. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen